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13.07.2005

Quelle:Darmstädter Echo

Im Woogsviertel formiert sich Protest

Grüne: Bei der offenen Fraktionssitzung gründet sich eine Bürgerinitiative gegen die geplante Nordostumgehung

Es sieht so aus, als regt sich nun doch auch im Woogsviertel organisierter Protest gegen die geplante Nordostumgehung. „Bürgerinitiative Darmstadt Ost für eine vernünftige Verkehrspolitik“ stand auf der Unterschriftenliste, die am Montagabend bei der offenen Fraktionssitzung der Grünen in der Gaststätte „Am Woog“ herumging. Darin eingetragen haben sich Bürger, doch der Appell zum Einmischen erging von grünen Politikern.

Allen voran Fraktionsvorsitzender Jochen Partsch, der selbst im Woogsviertel wohnt: „Unser Problem ist, dass es bislang keinen Protest aus dem Woogsviertel gibt, obwohl hier massive Einschränkungen durch die Umgehung zu erwarten sind.“ Er forderte die gut zwanzig anwesenden Bürger dazu auf, sich im Planungsbeirat für die Nordostumgehung zu beteiligen. „Vielleicht ist es schon zu spät, aber es ist dringend notwendig, dass Sie eine Stimme bilden.“

Ist es nicht paradox, dass Politiker zum Protest gegen ein Projekt aufrufen, dass sie selbst mitbeschlossen haben? Partsch räumte ein, dass die Grünen der Nordostumgehung in der Koalitionsvereinbarung zugestimmt haben. „Wir haben gesagt, wir unterstützen das, wenn dadurch eine Entlastung für Darmstadt erfolgt“, erläuterte er. „Es gibt aber eine Stelle, wo das nicht so sein wird, und das ist hier.“ Die Bürger zur Partizipation aufzurufen, sehe er als eine Aufgabe der Politik. „Es wird doch immer so viel über Bürgernähe gesprochen.“

Der Fraktionsvorsitzende betonte, dass es am Woog unter anderem wegen des vierspurig geplanten Ausbaus der Hanauer Straße zu erhöhten Lärm- und Schadstoffbelastungen kommen werde. Es gehe daher darum, das Projekt mit schadensbegrenzenden Maßnahmen zu flankieren. Als Beispiel nannte er Lärmschutzwände, wie sie für das Edelsteinviertel am Judenteich bereits vorgesehen seien.

„Die einfachste Möglichkeit ist, eine Untertunnelung auch dieses Bereichs zu fordern“, befand ein Mann mit Blick auf die von Osten kommende Bundesstraße 26, die als Hanauer Straße in die Stadt hineinführt und am Ostbahnhof endet, von wo aus die Nordostumgehung entlang des Spessartrings verlaufen soll. „Das dürfte auch nicht so das Problem sein, weil die Straße dort ja eh schon tief liegt.“ Nach anfänglicher Zurückhaltung entschlossen sich die anwesenden Bürger schließlich, eine Bürgerinitiative zu gründen und am Planungsbeirat zu beteiligen.

Eine leidenschaftliche Debatte entfachte sich im Anschluss beim Tagesordnungspunkt 3: Der Offenlegung des Darmbachs. Jochen Partsch kritisierte die von der IG Abwasser angestoßene „heftige, teils demagogische Diskussion“ über eines der Schlüsselprojekte der Lokalen Agenda. „Das ist nicht nur ein Romantikprojekt“, schimpfte die Stadtverordnete Doris Fröhlich.

Bei der – im übrigen von allen Parteien beschlossenen – Renaturierung gehe es nicht nur um ökologische oder stadtgestalterische Aspekte. Es gelte, einen „betriebswirtschaftlichen Unsinn“ zu beenden. „Die Stadt hat in den vergangenen zehn Jahren fast 20 Millionen Euro dafür ausgegeben, sauberes Bachwasser zu reinigen“, monierte Fröhlich. „Da kann ich nur sagen: Die spinnen, die Darmstädter!“

Die Argumentationslinie der Projekt-Befürworter: Bei der geplanten Offenlegung des derzeit unterirdisch verlaufenden und ins Klärwerk der Stadt fließenden Darmbachs zwischen Woog und Herrngartenteich und der damit verbundenen Entkopplung vom städtischen Kanalnetz würde die Stadt pro Jahr 2,2 Millionen Euro an Abwassergebühren sparen. Die Renaturierung würde zehn Millionen Euro kosten – eine Investition, die sich in etwa sieben Jahren amortisiere.

„Aus Sicht der Stadt wäre das absolut sinnvoll, weil es den Gebührenhaushalt entlastet“, betonte Partsch. „Dagegenspricht, dass die Bürger 20 Cent mehr Abwassergebühr zahlen müssten.“ Weil die Kosten für die Abwasserklärung insgesamt gleich blieben, müssten die Gebühren für die Darmstädter erhöht werden.

Genau daran nimmt die IG Abwasser („Interessengemeinschaft für reelle Abwassergebühren“) Anstoß, die dafür am Montagabend heftig kritisiert wurde. „Die IG Abwasser sieht ihre Felle davonschwimmen“, sagte Doris Fröhlich. Eine Erhöhung der Gebühren im Zuge der Darmbach-Renaturierung stehe ja gerade für die Transparenz, die die Interessengemeinschaft stets einfordere. „Es geht hier genau um reelle Gebühren“, ergänzte Klaus Feuchtinger. Was die IG heute mache, sei die Abkehr von ihrem eigenen Prinzipien.

„Außerdem“, warf ein Bürger ein, „wird den Bürgern durch die derzeitige Darmbach-Einspeisung ins Kanalnetz doch auch das Geld aus der Tasche gezogen.“ Doris Fröhlich brachte noch einen anderen Punkt aufs Tapet: „Das Regierungspräsidium hat die Stadt dazu verpflichtet, den Darmbach aus der Abwasserklärung herauszunehmen. Langfristig wird uns sowieso niemand davor bewahren können.“

Die „Bürgerinitiative Darmstadt Ost für eine vernünftige Verkehrspolitik“ trifft sich am Montag (18.) um 19 Uhr in der Gaststätte „Am Woog“ in der Beckstraße 44 und lädt dazu alle interessierten Bürger ein.

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