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04.02.2006

Quelle:Darmstädter Echo

In fünf Sekunden ist man durch

Energisch bremsen braucht an der Stelle niemand

Die Lastwagen rauschen im Minutentakt vorbei, eingebettet in den allgemeinen Verkehr, der an der Südostgrenze Eberstadts durchs Mühltal fließt. Es ist Freitagvormittag, zwischen 11 und 12 Uhr.

Ist die so genannte Felsnase wirklich ein Verkehrshindernis? Diese Frage soll der Augenschein beantworten – nachdem um die jüngst bekannt gewordenen Ausbaupläne Diskussionen entbrannt sind. Wie berichtet, soll die B 426 begradigt werden; die wohl mehrere Monate dauernden Arbeiten hat das Verkehrsministerium zum Anlass genommen, die für Darmstadt geplanten Lkw-Sperrungen auszusetzen.

Energisch bremsen, um dies gleich zu sagen, braucht an dieser Stelle niemand. Die bergfahrenden Lastzüge nehmen die Kombination aus Rechts- und Linkskurve mit erstaunlichem Schwung; erkennbar sind die holländischen, belgischen, tschechischen Chauffeure hier nicht zum ersten Mal unterwegs.

Schätzungsweise mit Tempo 60 geht es über die Modau, erst im letzten Moment, fast an der Papiermühle, wird kurz das Verzögerungspedal getippt. Etwas stärker müssen die Fahrer, die talwärts brummen, verlangsamen – die Passage dauert dennoch keine fünf Sekunden.

Ein Hindernis ist dies nicht. Gerade röhrt ein „Pfalzgold“-Laster von der südlichen Weinstraße nach Norden, gefolgt von einem überlangen Sattelschlepper aus Düren. Wie nichts geht es durch die Kurven, dann verschwinden die Wagen im Nadelöhr der Talenge.

Ein ostdeutscher Wagenlenker bewegt sich etwas vorsichtiger. Am flottesten und unbekümmertsten sind wie stets die Fahrer der großen Kipplaster, die Baustellenabraum transportieren. Bei den Personenwagen sieht man ohnehin kaum Bremslichter aufleuchten.

Warum also muss hier gebaut werden? „Weil es einen Überhang gibt“, sagt Fred Nerschbach vom Amt für Straßen- und Verkehrswesen. Eine Planung, die aus Sicht der Darmstädter Behörde längst hätte umgesetzt werden müssen.

Ursprünglich hatte, im Zuge der Umgehungsplanung für Nieder-Ramstadt, das ganze Mühltal verschwinden sollen – durch Wegsprengen des kompletten Schleifbergs. „Das war 1980 so planfestgestellt“, entsinnt sich Nerschbach.

Die lauten Proteste, die dies damals nach sich zog, ließen das Verkehrsministerium innehalten. „Die Verwaltung“, sagt Nerschbach, „bekam den Auftrag, die Planung zu minimieren.“

Und das ist sie nun, die „minimierte Planung“, die in diesem Jahr ausgeführt werden soll: Erstens wird zwischen Beerbacher Straße (Abzweig ins Lautertal) und Mühltalstraße (Abzweig zum Eberstädter Ortskern) eine neue Modaubrücke gebaut, östlicher als die heutige. Daraus ergibt sich eine gestreckte Einfahrt in die erste Kurve.

Die eigentliche Felsnasenkurve bleibt unangetastet. Anschließend wird auf einem halben Kilometer Länge der Sockel des Bergs abgegraben und durch eine zehn Meter hohe Stützmauer ersetzt; dies erlaubt es dem Darmstädter Amt, den Querschnitt der Straße zu erweitern und einen 2,50 Meter breiten Fahrradweg anzulegen. „Denn wir haben hier viele Fahrradfahrer, dies ist ja die einzige Verbindung zwischen Nieder-Ramstadt und Eberstadt“, sagt Nerschbach.

Stimmt nicht, sagen die Eberstädter. Zum Beispiel Ulrich Götz: „Es gibt längst einen Radweg, der beginnt gegenüber der Einmündung der Mühltalstraße am Parkplatz und führt dann jenseits der Modau immer am Waldrand entlang bis nach Nieder-Ramstadt.“

Götz kann deswegen die Planungen nicht nachvollziehen: „So ein Aufwand für nichts, das ist doch paradox.“ Hier Millionen auszugeben, „nur damit die osteuropäischen Lkw-Fahrer schneller sind“, empört ihn wie andere Bürger.

Fred Nerschbach dagegen, der Darmstädter Amtsleiter, verweist darauf, dass er nur ausführt, „was der Bund will“. Und der Bund wolle nun mal, dass seine Bundesstraßen 7,50 Meter breit sind. Die B 426 werde jetzt von sechs auf nur sieben Meter erweitert, „daran können Sie doch schon erkennen, dass wir eine minimierte Planung gemacht haben“.

Den 1980 erteilten Auftrag begann die Behörde im Jahr 2000 umzusetzen, jetzt ist alles fertig, planfestgestellt, „übrigens“, versichert Nerschbach, „in völligem Einvernehmen“ – solange keiner von der stillen Arbeit des Amtes wusste, gab es auch keinen Widerspruch.

12 Uhr; inzwischen haben Hunderte Fahrzeuge problemlos die Felsnase umrundet. Als Verkehrshindernis hat sich hier nur eins erwiesen – die Ampel, die zwanzig Meter weiter die Autos auf der B 426 stoppt, wenn andere aus dem Lautertal kommen.

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