IVDA-Standpunkt

ICE-Neubaustrecke Frankfurt - Mannheim: IVDA für Vollanbindung Darmstadts

Der IVDA hat sich zu jedem Zeitpunkt klar für eine Vollanbindung des Darmstädter Hauptbahnhofes als verkehrlich, ökologisch und wirtschaftlich beste Variante ausgesprochen. Der Einklang mit allen Untersuchungen und dem Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist diese Positionierung unverändert gültig und gewinnt mit dem Scheitern der vom Darmstädter Oberbürgermeister favorisierten Bypassvariante („Konsenstrasse“) neue Bedeutung.

Nur mit einer Führung über den Darmstädter Hauptbahnhof ergibt sich zukünftig eine vernünftige betriebliche Flexibilität, die für die wirtschaflich agierenden Bahnfernverkehrsanbieter tatsächlich eine interessante Option darstellt und zudem auch betrieblich mehr Halte als ein Zug je Stunde und Richtung erlaubt. Dabei zeigen die vom ZIV gemeinsam mit der DB AG durchgeführten Untersuchungen aus den Jahren 2000 und 2001, dass eine Vollanbindung für die Bahn keine betrieblichen Nachteile bringt und zudem vergleichbare Kosten wie die Vorbeifahrt verursacht. Die Trasse kann zudem gut in das Stadtbild integriert werden und durch die bei Neubauten zwingend vorgeschriebenen Lärmschutzmaßnahmen zukünftig auch einen effektiven Schutz der Anwohner vor den Bestandsgleisen herstellen. Südlich vom Hauptbahnhof ist durch eine Trogführung und ggf. gemeinsame Deckelung der Bahngleise mit Überbauung entlang der bestehenden Main-Neckar-Bahn ohnehin ein guter Lärmschutz gewährleistet und bietet zudem die Möglichkeit zur städtebaulichen Aufwertung der Gebiete.

Güterverkehrsentlastung überschätzt

Die von den Befürworten der Konsensvariante oftmals angeführte Reduzierung des Güterverkehrs auf der Main-Neckar-Bahn bei einer Führung der Neubaustrecke an Darmstadt vorbei ist nicht relevant: Auf der Neubaustrecke können aus technischen und kapazitativen Gründen ausschließlich schnelle Güterzüge unterwegs sein, die dank u.a. verbesserter Fahr- und Bremstechnik bereits heute deutlich leiser sind als die überwiegende Zahl der Güterzüge. Insbesondere langsame und laute Züge werden dagegen weiterhin über die bestehende Main-Neckar-Bahn fahren. Weiterhin können auch die schnellen Güterzüge in der Regel Neubaustrecken nur zu Zeiten benutzen, zu denen kein Personenverkehr stattfindet: Tagsüber werden die Güterzüge ohnehin über die Main-Neckar-Bahn geführt werden. Tatsächlich ist nur bei einer Vollanbindung durch kombinierte Lärmschutzmaßnahmen eine Verbesserung der Darmstädter Situation zu erwarten.

Die Abkehr von der unsinnigen Bypassvariante wird daher vom IVDA begrüßt. Mit seinem Vorgehen riskiert der Darmstädter Oberbürgermeister Hoffmann jedoch gleichzeitig sämtliche Chancen auf eine Vollanbindung. Da eine Führung über den Hauptbahnhof in allen Rahmenplänen festgeschrieben wurde und bisher von der DB Netz kein belastbares Argument gegen eine Vollanbindung geliefert wurde, müsste Darmstadt hier notfalls ähnlich wie Mannheim den Klageweg anstreben.

Bahnhof Darmstadt West ohne verkehrlichen Wert für die Region

Der nun von verschiedenen Seiten wieder ins Gespräch gebrachte Bahnhof Darmstadt-West findet dagegen nicht die Zustimmung des IVDA. Ausschlaggebend ist dabei für den IVDA der fehlende verkehrliche Wert des Bahnhofs für die Region und im Gesamtsystem. Bereits in der Studie des ZIV von 2000 wurden für einen Bahnhof West nicht nur erheblich weniger Ein- und Aussteiger als bei einer Vollanbindung des Hauptbahnhofs prognostiziert, sondern es wurde sogar eine sinkende Fahrgastnachfrage für das Gesamtnetz ermittelt – sprich: Mit einem Bahnhof Darmstadt West fahren deutschlandweit pro Jahr 260.000 weniger Personen mit der Bahn als ohne ihn. Wesentlich ist dies auf die für die überwiegende Zahl der Reisenden anfallende zusätzliche Transferzeit zur bestehenden und auch weiterhin mit rund 50.000 Personenbewegungen je Tag wichtigsten ÖPNV-Drehscheibe der Region, dem Darmstädter Hauptbahnhof, zurückzuführen.

In der gleichen Zeit die für einen Transfer zwischen dem Darmstädter Hauptbahnhof und einem Bahnhof West benötigt würde, wird bereits heute nicht nur der Frankfurter Hauptbahnhof sondern auch der Flughafen Frankfurt erreicht, die eine wesentliche höhere Verbindungsdichte und Attraktivität aufweisen als dies für einen Bahnhof Darmstadt West je zu erwarten wäre. Die Bahn wirbt mit einer Straßenbahnfahrtzeit von 5 Minuten zwischen den beiden Bahnhöfen – ignoriert dabei allerdings die anfallenden Umsteige- und Wartezeiten, sodass man mit 15 Minuten Transferzeit rechnen muss.

Weiterhin ist in die Abwägung einzubeziehen, dass die Stadt Darmstadt nicht nur dauerhaft die ÖPNV-Anbindung des neuen Bahnhofs sicherzustellen, sondern wahrscheinlich auch in erheblichem Umfang für sonstige Infrastruktur am neuen Standort zu sorgen hätte. Die Bahn hat bereits angekündigt, für einen Bahnhof Darmstadt West im Fall der Fälle ausschließlich die aus bahnbetriebstechnischer Sicht absolut notwendigen Anlagen herzustellen. Es ist zu erwarten, dass die Bahn an dem Standort die wegen der Unterquerung des Darmstädter Autobahnkreuzes bereits unterirdische Trasse auf der Länge von rund einem Kilometer aufweiten und zwei Haltegleise bauen würde, diese mit Bahnsteigen und entsprechenden Zugangsanlagen versehen und diese Konstruktion mit einem Deckel abschließen würde. Prognostiziert wurde der finanzielle Aufwand dieses Bahnhofs bereits im Jahr 2001 mit rund 40 Mio Euro.

Garnicht von der Bahn angesprochen werden die ÖPNV-Erschließungskosten: Zwar würde die Verlegung einer Straßenbahnhaltestelle bezahlt werden, die nötige zusätzliche Fahrleistung zwischen Haupt- und Westbahnhof würde allerdings zu Lasten der DADINA und damit Stadt und Landkreis gehen. Weiterhin müssten diese zusätzlichen Fahrten über die bereits heute an der Kapazitätsgrenze stehende Kreuzung Rheinstraße / Berliner Alle geführt werden. Und einer Führung der Linie 9 über den HBF widerspricht die damit einher gehende drastische Fahrzeitverlängerung zwischen Griesheim und Luisenplatz, gegen die sich die Stadt Griesheim bereits in der Vergangenheit mehrfach ausgesprochen hat.

Musterbeispiel Limburg ist sehr blass

Der oftmals als Beispiel angeführte Bahnhof Limburg Süd als Muster für eine funktionierende ICE-Außenanbindung verliert beim genauerem Hinsehen schnell seinen Glanz: Die ÖPNV-Anbindung an den bestehenden Regionalbahnhof ist nahezu komplett eingestellt, der Bahnhof wird nur von P&R-Nutzern angefahren und diese Nutzer sind weitestgehend Fernpendler nach Köln und Frankfurt, was sich auch im Angebot über den Tag verteilt ausdrückt – die Verteilung und Anzahl der Fahrten wurden schon nach kurzer Zeit der Nachfrage angepasst.

Es wird keine Garantie auf eine Mindestzahl an ICE-Halten geben

Die ICE-Trasse wird von der DB ProjektBau GmbH gebaut und von der DB Netz AG betrieben, die sich ausschließlich mit der Infrastrukturbereitstellung und -unterhaltung beschäftigt. Ähnlich wie bei einer öffentlichen Straße kann die DB Netz dabei hinterher weder bestimmten Anbietern verbieten die Trasse zu nutzen, noch kann sie diese aber auch nicht dazu zwingen. Deshalb ist es für die DB Netz schlicht unmöglich heute eine Aussage zu treffen, welche – unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnde – Unternehmen die Strecke später mit welchen Zügen wie häufig mit welchen Halten befahren.

Dies könnte – wenn überhaupt – der in Deutschland derzeit fast ohne Konkurrenz aktive Anbieter von Fernverkehrsleistungen im Schienenverkehr, die DB Fernverkehr AG. Diese zwei Firmen sind zwar Schwestern unter dem Dach der selben Gesellschaft, handeln jedoch eigenständig. Aus reiner „Schwesternliebe“ hier Zugeständnisse durch die DB Fernverkehr zu erwarten, die mit dem Bau der Neubaustrecke ansonsten nichts zu tun hat, ist blauäugig.

Fernverkehr wird eigenwirtschaftlich betrieben. Sofern es Fahrgastpontentiale gibt, die wirtschaftlich mit einem Halt von Hochgeschindigkeitszügen abgedeckt werden können, wird sich ein Anbieter finden und diesen Halt bedienen. Alles andere ist Utopie – man kann dieser Entscheidung lediglich mit einer möglichst flexiblen Anbindung nachhelfen.

Flughafen-Anbindung getrennt betrachten

Vielfach vermischt wird in der Diskussion um den ICE die Anbindung Darmstadts an der Frankfurter Flughafen. Unterschlagen wird dabei vollständig, dass Darmstadt bereits heute über den AIRLINER komfortabel an den Flughafen angebunden ist und dieser dort einige Punkte direkt bedient, für die anderfalls ein zeitraubender Transfer nötig wäre. Der vorgeschlagene „Airport-Shuttle“ von Darmstadt über Frankfurt Flughafen nach Wiesbaden auf der Schiene würde dahingegen nicht nur seltener fahren als der AIRLINER, er würde die Stadt Darmstadt und den RMV auch erheblich mehr kosten als es derzeit mit dem AIRLINER der Fall ist.

Der IVDA hat ein Konzept zu einer verkehrlich und wirtschaftlich sinnvolleren Verbesserung der Anbindung des Flughafens erstellt und präsentiert dies in einem eigenen, getrennten Bereich.

Nahverkehrsverbindungen stärken

Die ZIV Studie von 2000 prognostiziert, dass selbst eine Vollanbindung des Darmstädter Hauptbahnhofs deutschlandweit betrachtet gegenüber einer kompletten Vorbeifahrt nur 18.000 zusätzliche Personenfahrten je Jahr erzeugt – das sind rund 50 je Tag [ZIV 2000, Bild 10]. Dabei ist die Basis der Prognose kritisch zu hinterfragen: Bei der Untersuchung wurden unter anderem Fahrgastpotenziale aus Groß Gerau, Mörfelden und Seligenstadt berücksichtigt, obwohl diese Städte wesentlich bessere Anbindungen über die ICE-Halte Frankfurt Flughafen und Hauptbahnhof bzw. Hanau haben. Damit verbleibt schon aus Kostengesichtspunkten als einzig gerechtfertige Maßnahme für eine Anbindung Darmstadts die Vollanbindung des Hauptbahnhofs, da diese bei nur geringen Mehrkosten zur Vorbeifahrt ohne Halt entlang der Autobahn realisiert werden kann.

Eine oftmals aus den Augen verlorene Alternative stellt aber auch eine verbesserte Nahverkehrsanbindung insbesondere an die großen Knotenbahnhöfe in Frankfurt und Mannheim dar, die zudem nicht nur Gelegenheits-Fernreisenden und einigen wenigen Pendlern mit ICE-Fahrkarten, sondern auch den zahlenmässig deutlich überlegenen Nahverkehrskunden offensteht. Und auch Fernreisende können durch eine schnellere Anbindung an die großen Knotenbahnhofe letztenendes dadurch profitieren, dass sie durch dichtere Taktintervalle in Summe mehr Fernverkehrsziele schnell erreichen.

Weniger kritisch ist dabei die Erreichbarkeit des Haupt- und Flughafenbahnhofs in Frankfurt, da diese bereits über gute Verbindungen zügig erreicht werden können. Problematisch ist jedoch die Anbindung an den kompletten süddeutschen Raum über Mannheim, da hier keine schnelle Nahverkehrsverbindung zwischen den Oberzentren exisitert. Zentrale Erfordernis ist daher eine schnelle, regelmässige und häufige Anbindung an den Taktknoten in Mannheim.