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01.11.2005

Quelle:Darmstädter Echo

„Da gibt’s noch viele Unfälle“

Wilhelminenbuckel: Fahrbahnschwellen sollen seit gestern Radfahrer bremsen, doch viele fahren einfach daran vorbei – Gefährliche Situationen

„Wenn es etwas bringen würde, an die Vernunft der Leute zu appellieren, wäre das nicht nötig“, sagt Straßenverkehrstechniker Bernd Lukas. Weil solche Appelle aber nicht bei jedem funktionieren, haben Lukas und einige seiner Kollegen am Montag Fahrbahnschwellen auf dem Wilhelminenbuckel verlegt: Sie sollen Radfahrer davon abhalten, den Buckel hinunter zu rasen und damit Fußgänger zu gefährden. Anfang September war am Wilhelminenbuckel ein Fußgänger schwer verletzt worden, als ihn ein Radfahrer mit hoher Geschwindigkeit erfasste und zu Boden riss.

Vier Doppelreihen aus Aluminiumguss-Schwellen kleben Lukas und sein Team bis zum Nachmittag mit einer weißen Kaltplastikmasse auf das Pflaster. Die Schwellen reichen fast über die gesamte Breite des Wilhelminenbuckels, lassen nur links und rechts, direkt an den Geschäften, zwei schmale Gassen für Rollstuhlfahrer, Leute mit Kinderwagen oder andere Fußgänger frei.

Etliche Passanten, die meisten mit Rad, sprechen die Männer mit den grell orangenen Westen auf die neuen Schwellen an: „Da kriegen Sie alle Meinungen zu hören. Das bringt was, das bringt nichts, man sollte alles lassen, wie es ist“, sagt Lukas und zuckt mit den Schultern. Zwei seiner Kollegen ergänzen: „Zum Teil werden wir auch beschimpft.“

Gegen zwei Uhr nachmittags geben die Arbeiter schließlich die ersten Schwellen frei. Kaum ist das Absperrband weg, stehen die grauen Metallschwellen im Mittelpunkt etlicher Diskussionen: Ein Passant benutzt ein hässliches Wort mit „Sch“, um zu beschreiben, was er von den künstlichen Hindernissen hält. „Das wird noch teuer für die Stadt“, sagt eine Frau zu ihrer Tochter, „da gibt's bestimmt noch viele Unfälle.“

Das befürchtet auch Heidi Walter-Quast, die ein Haus am Wilhelminenbuckel besitzt. Sie ärgert sich nicht nur darüber, dass die Schwellen direkt vor der Einfahrt in ihren Hinterhof angebracht wurden und dass sich ihre Mieter belästigt fühlen könnten, wenn Lastwagen oder Autos über die Schwellen rumpeln. Auch sie befürchtet schlimme Unfälle. „Da werden die Leute doch umgebügelt, wenn sie aus den Geschäften rauskommen“, sagt sie und schüttelt verständnislos den Kopf. „Und ich habe die Stadt vorher noch darauf hingewiesen.“

Unbegründet ist ihre Angst nicht. Denn etliche Radfahrer fahren einfach an den Schwellen vorbei – und damit genau dort, wo eigentlich Rollstuhlfahrer und Fußgänger freie Bahn haben sollten. Was manchen Fußgänger zu wüsten Beschimpfungen veranlasst. Erst ein paar Stunden gibt es die Schwellen auf dem Wilhelminenbuckel, und schon kommt es zu den ersten Beinahe-Unfällen: In Höhe eines Hörgeräte-Fachhandels rempelt ein rücksichtsloser Radfahrer kräftig einen jungen Familienvater an, der mit Frau, Kind und Kinderwagen die schwellenfreie Gasse hinabläuft. Nur wenige Minuten später erwischt ein anderer Radler einige Läden weiter unten um ein Haar ein älteres Ehepaar.

Einem Herrn in einem elegantem hellbraunen Mantel, der mit leicht gerunzelter Stirn beobachtet, was um die neuen Schwellen am Wilhelminenbuckel herum vor sich geht, fällt dazu ein Zitat von Friedrich Schiller ein: „Vernunft ist stets bei Wenigen nur gewesen...“

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