Gegen das Übersteigen von Stadtbahn-Kupplungen: KVB entwickelt Kletterschutz für gekoppelte Niederflur-Stadtbahnwagen
In den nächsten Wochen wird bei allen Niederflur-Stadtbahnwagen der KVB vom Typ K 4000 die Kupplungsabdeckung mit einen zusätzlich angeschraubten Hohlkörper aus Kunststoff versehen. Bei gekuppelten Fahrzeugen - die Kupplungsabdeckung ist dann hochgefahren - beträgt dadurch der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen über der Kupplung lediglich 26 cm, das ist weniger als die Hälfte des ursprünglichen Abstands. Die KVB geht davon aus, dass dadurch Versuche, die Kupplung zu überklettern, unterbunden werden. In den letzten Jahren hat es drei solcher Vorfälle gegeben, davon zwei mit tödlichem Ausgang.
Seit 1995 werden im Kölner Netz Niederflur-Stadtbahnwagen vom Typ K 4000 eingesetzt, die sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreuen. Drei tragische Unfälle in den letzten fünf Jahren haben die KVB veranlasst, an den Fahrzeugen im Bereich der Kupplung eine Nachrüstung vorzunehmen. In den nächsten Wochen wird ein kastenförmiges Werkstück aus Kunststoff auf die Kupplungsabdeckungen aufgeschraubt. Bei gekuppelten Fahrzeugen soll dadurch verhindert werden, dass Personen zwischen den Fahrzeugen über die Kupplung steigen und sich dabei in große Gefahr bringen.
Hohe Risikobereitschaft bei jungen Leuten
Die Niederflurtechnik zeichnet sich in vielen Punkten durch kleine Baugrößen aus. Erst als es in den 80-er Jahren gelang, Motoren, Getriebe, Drehgestelle und Kupplungseinrichtungen wesentlich kleiner als früher zu konstruieren, war der Bau von Fahrzeugen mit durchgehend niedrigem Fahrzeugboden möglich. Auch beim Kölner Niederflur-Stadtbahnwagen der Firma Bombardier sind die Kupplungen verhältnismäßig klein ausgefallen. Dadurch ergibt sich bei gekoppelten Fahrzeugen ein Abstand von 56 cm zwischen den beiden hochgefahrenen Kupplungsabdeckungen. Da durch die niedrige Bauweise die Kupplung sich lediglich knapp 40 cm über dem Pflaster befindet, ist ein Übersteigen dieser Kupplung verhältnismäßig einfach möglich, insbesondere für junge, sportliche Leute oder Personen bei denen durch Alkoholeinfluss das Urteilsvermögen eingeschränkt ist. So kam es im Januar 2000 und im März 2003 am Rudolfplatz zu Unfällen mit tödlichen Folgen, als Personen beim Versuch, die Kupplung zu übersteigen, unter den anfahrenden Zug gerieten (männliche Person, 36 Jahre, und weibliche Person, 20 Jahre). Im März 2005 erlitt eine männliche Person unter Alkoholeinfluss, 21 Jahre alt, ebenfalls schwerste Verletzungen beim Versuch in Deutz, die Kupplung zu überklettern.
Umfassende Untersuchungen
Bereits nach den ersten Unfällen hatte sich die KVB intensiv mit der Problematik befasst. Intern gab es eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen, die ein Kette, einen Absperrkörper aus Gummi, Absperrkörper als Haube auf der Kupplung oder Dorne auf der Kupplung oder auch bewegliche Abwehrteile zum Gegenstand hatten. Auch wurde europaweit untersucht, inwieweit bei anderen Verkehrsunternehmen ähnliche Probleme bestehen, und wie dort mögliche Lösungsansätze aussehen. In keinem Falle gab es für die KVB ein zufrieden stellendes Resultat.
Entwicklung einer eigenen Lösung
Das KVB-interne technische Büro der Stadtbahnfahrzeugwerkstätten wurde daraufhin beauftragt, sämtliche vorliegenden Daten und Vorschläge auszuwerten und im weiteren daraus eine Entwicklung eigener Lösungsvorschläge einzuleiten. Bereits bei der Konzeption der Nachfolgeserie K 4500 - diese neue Serie von Niederflurfahrzeugen befindet sich zurzeit im ersten Einsatz - wurde dieser Aspekt berücksichtigt: Nach Hochfahren der Kupplungsabdeckung bei dem Typ 4500 beträgt der Abstand über der Kupplung zwischen den beiden Fahrzeugen nur noch 26 cm. Das nach Vorschlägen der Stadtbahn-Werkstatt jetzt realisierte Werkstück zur Nachrüstung orientiert sich an diesem Maß. Auf die hochgefahrene Kupplungsabdeckung des K 4000 wird ein kastenförmiges Teil aus Kunststoff aufgeschraubt. Bei zwei gekuppelten Niederflur-Stadtbahnwagen vom Typ K 4000 wird dadurch der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen über der Kupplung ebenfalls von vormals 56 auf 26 cm verringert. Auch bei der Kupplung eines älteren Niederflur-Stadtbahnwagens mit einem neuen Modell wird damit der Abstand von 26 cm eingehalten.
Doppelte Wirkung - real und psychologisch
Durch die Verringerung des Abstands zwischen den beiden gekuppelten Fahrzeugen wird nicht nur der real zur Verfügung stehende Raum verkleinert: Vor allem wird auch der spontane Eindruck unterbunden, dass man möglicherweise mit einem Schritt ohne große Schwierigkeiten die Kupplung überschreiten könnte. Die beiden aufgeschraubten Werkstücke, in Verbindung mit dem geringen Abstand von 26 cm, signalisieren vielmehr einen schmalen Zwischenraum, der nicht ohne weiteres anvisiert werden kann, er erfordert Überlegung, bewusste Kalkulation - damit wird ein spontaner Schritt vom Bahnsteig aus oder vom Pflaster aus auf die Kupplung unterbunden.
Hergestellt wird der Überkletterungsschutz nach Vorgaben der KVB von der Firma Hübner in Kassel. Material ist ein PUR-Weichkunststoff, der von der KVB lackiert und mittels einer Bohrschablone auf die Kupplungsabdeckung montiert wird. Die Kosten pro Stück inklusive Lackierung und Montage liegen bei ca. 150 Euro. Bei 250 benötigten Exemplaren sind dies Gesamtkosten von ca. 37.500 Euro. Zurzeit sind bereit 25 von 124 Niederflur-Stadtbahnwagen nachgerüstet. Bis zum Ende des Jahres werden alle Fahrzeuge damit ausgestattet sein.