Zurück

13.01.2005

Quelle:Frankfurter Rundschau

"Die Nordostumgehung ist ein großes Opfer"

Ökodezernent Klaus Feuchtinger möchte Verkehr aus der Stadt heraushalten und damit die hohen Schadstoffwerte in der Luft verbessern

Seit dem 1. Januar gelten strengere EU-Richtlinien zur Verminderung gefährlicher Feinstäube in der Atemluft. Anwohner können sich künftig gegen schlechte Luft wehren. In der Hügelstraëe wurden 2004 die höchsten Schadstoffwerte in Hessen gemessen. Hat jemand aus der Hügelstraëe schon mit Klage gedroht?

Klaus Feuchtinger: Nein, bisher noch nicht, zumindestens ist mir noch keine Klage bekannt.

Wie sieht der Luftreinhalteplan für Darmstadt aus?

Es gibt keine Einzelpläne für Frankfurt, Wiesbaden oder Darmstadt, sondern das Land hat einen Luftreinhalteplan für den Ballungsraum insgesamt erstellt. Die Möglichkeiten der einzelnen Kommunen, etwa auf Belastungen wie in der Hügelstraße zu reagieren, sind sehr begrenzt. Das hat auch etwas mit der meteorologischen und geographischen Situation des Rhein-Main-Gebietes und der Luftqualität insgesamt zu tun. Weil die Kommunen besonders betroffen sind, hat die Landesregierung sie beteiligt. Wir haben unsere Vorschläge für den Luftreinhalteplan des Landes geliefert.

Wie sehen die für Darmstadt aus?

Wir haben in Darmstadt die besonders schlechte Situation, dass der Schwerlastverkehr die Stadt quert. Die Stadt selbst hat schon im August 2004 einen Magistratsbeschluss gefasst mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen. Wir wollen den Umstieg auf den Öffentlichen Nahverkehr erleichtern. Neben der Straëenbahnverbindung nach Kranichstein planen wir den weiteren Ausbau einer Linie nach Weiterstadt. Die Messergebnisse an der Hügelstraße machen deutlich, dass das nötig ist. Wir haben zudem die Planungen für die Nordostumgehung vorangetrieben, die den Schwerverkehr aus der Innenstadt heraushalten soll. Die Nordostumgehung ist ein großes Opfer für die Stadt. Sie macht nur Sinn, wenn wir so den Verkehr aus Wohnbereichen innerhalb der Stadt heraushalten können. Die Radwegenetze sollen weiter ausgebaut und der Verkehrsfluss in der Stadt optimiert werden, damit nicht durch stehenden Verkehr die Belastungen durch Feinstäube und Ruß verstärkt werden. Ich habe den Eigenbetrieb Abfallwirtschaft auch angewiesen, die gesamte Hügelstraße künftig nass zu reinigen, damit nicht so viel Staub aufgewirbelt wird. Ich hoffe, dass das einen Effekt für die unmittelbaren Anwohner hat.

Die Hügelstraße soll begrünt werden.

Wir werden uns Ende Januar die Entwürfe anschauen, die Gartenbaustudenten der Fachhochschule Geisenheim gemacht haben. Das habe ich schon vor Bekanntwerden der Messergebnisse in Auftrag geben, weil mir auch die optische Situation dort überhaupt nicht gefällt. Ich bin sicher, dass man auch über Begrünung, vor allem an der Tunnelausfahrt, etwas für die Verbesserung des Wohnumfeldes tun kann. Ich denke an ein Blätterdach, das den aufwirbelnden Staub abhält.

Wie weit sind Projekte wie Fahrgemeinschaften oder Car-Sharing gediehen?

Wir werden eine Initiative zunächst innerhalb der Verwaltung ergreifen. Es geht vor allem um ein Behörden-Car-Sharing. Vorgespräche in der Verwaltung sind nötig. Vorbild ist die Stadtverwaltung Münster, die das schon eingeführt hat.

Fahren die Busse der Heag schon mit Rußfiltern?

Bis Januar sollten die ersten Busse umgerüstet sein. In der Stadt fahren 21 Busse und ich gehe davon aus, dass die Heag sich an die Absprachen hält.

Wie sieht es bei privaten Transport- und Fuhrunternehmen aus?

Ich habe an die örtlichen Unternehmen appelliert, ihre Fahrzeuge nachrüsten zu lassen. Ich befürchtet, dass viele nicht freiwillig reagieren, sondern erst, wenn der Druck größer wird. Wir denken auch an Güterverteilzentren vor den Toren der Stadt. Wir werden, wenn wir mit unseren Maënahmen die Grenzwerte nicht einhalten können, über Einschränkungen und Fahrverbote nachdenken müssen. Da die Hügelstraße eine Bundesstraëe ist, müssen Land und Bund mitentscheiden. Das wird spannend werden, denn es kann ja nicht sein, dass von uns die Einhaltung der Grenzwerte verlangt wird und wenn das mit unseren Mitteln nicht gelingt, wir vom Land allein gelassen werden. Da erwarte ich Unterstützung für drastischere Maënahmen. Wir müssen bis 2010 die Grenzwerte nachweislich unterschreiten. Wir haben dann keine Spielräume mehr.

Kann die Stadt eine City-Maut oder ein Fahrverbot für die Hügelstraße erlassen?

Nein, das kann sie nicht. Dafür fehlt die Rechtsgrundlage und da sehe ich auch einen Widerspruch zwischen Luftreinhalteplan einerseits und den juristischen Möglichkeiten der Kommunen andererseits. Unsere Anträge an das Land, wenigstens ein Fahrverbot während der Nacht für die Hügelstraße zu erlassen, sind in der Vergangenheit stets gescheitert.

Die EU-Richtlinien machen aber ein Fahrverbot möglich?

Das Land hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auf das Instrument der Fahrverbote verzichten möchte. Es wird jedoch spannend, wenn tatsächlich ein Bürger klagt. Dann ist fraglich, ob sich die Haltung des Landes aufgrund der neuen EU-Vorgaben noch aufrecht erhalten lässt.

Käme der Stadt eine Klage gelegen?

Es ist das gute Recht eines betroffenen Bürgers, über eine Klage feststellen zu lassen, ob die Maßnahmen, die das Land und die Kommunen treffen, ausreichen, um die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen.

Kurz-URL:

Link teilen: Quelle twittern 

Zurück