Bürgermeiter und Landrat lehnen Sperrung der Darmstädter Innenstadt für Schwerlastverkehr ab
„Wir sind die Leidtragenden.“ Mühltals Bürgermeister Gernot Runtsch (SPD) will sich erst gar nicht ausmalen, welche Konsequenzen der kürzlich vorgelegte Aktionsplan gegen die Feinstaub- und Stickstoffbelastung in Darmstadt für seine Gemeinde hat. Auch in Roßdorf, Reinheim und Ober-Ramstadt trifft das geplante Durchfahrtverbot für schwere Lastwagen auf massiven Widerstand.
Nach dem vom Hessischen Umweltministerium vorgelegten Plan dürfen ab September dieses Jahres Lastwagen mit mehr als 7,5 Tonnen Darmstadt von der A 5 kommend in Richtung Osten nicht mehr durchqueren, auch Einschränkungen für Lastwagen ab 3,5 Tonnen sind möglich.
Dieser Lastverkehr suche sich dann seinen Weg durch den Landkreis, um von Westen nach Osten auf die B 26 und anschließend zur A 3 zu kommen.
Die Bürgermeister und Landrat Alfred Jakoubek fordern, den Plan fallen zu lassen. Was Darmstadt entlasten soll, wird in den vier Kreiskommunen als ein Vorgehen nach dem Sankt-Florians-Prinzip bezeichnet. „Das Durchfahrtverbot ist unsolidarisch“, schimpft Roßdorfs Bürgermeisterin Christel Sprößler (SPD). Die Sperrung sei mit den Nachbargemeinden nicht abgesprochen: „Wir haben das erst aus der Zeitung erfahren.“
Der Aktionsplan widerspricht nach Ansicht Sprößlers ohnehin dem vom Umweltministerium selbst ausgegebenen Prinzip, wonach eine reine Verlagerung des Verkehrs auszuschließen sei.
Aber gerade das ist nach Ansicht des kommunalpolitischen Quintetts der Fall. Eine Sperrung des Darmstädter Stadtgebiet werde den Lastverkehr „geradezu zwingen, auf die Strecken durch die vier Kommunen auszuweichen“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Das Szenario: Die Lastwagen verlassen an der Anschlussstelle Eberstadt die A 5 und fahren durch Nieder-Ramstadt, den Ober-Ramstädter Stadtteil Hahn und Reinheim zur B 26 bei Roßdorf.
Gerade diese künftige Transitstrecke ist schon jetzt stark befahren. Mühltals Bürgermeister Runtsch spricht von einem „Verkehrsnotstand“ in der engen Durchfahrt in Nieder-Ramstadt, der sich nach Einführung der Lkw-Maut noch verschlimmert habe. Nicht grundlos werde derzeit eine Umgehung gebaut, „aber das dauert noch zwei Jahre.“
Die Verkehrssicherheit sieht sein Ober-Ramstädter Amtskollege Werner Schuchmann in Hahn gefährdet. Die Gefällstrecke und die Schikane am Ortseingang seien Gefahrenpunkte. „Durch weiteren Schwerlastverkehr verschärft sich die Situation“, befürchtet er. Auch in Reinheim ist die Verkehrslage bereits jetzt angespannt. Dort wird laut nach einer Umgehung gerufen.
Die Bürgermeister, die wegen der ungeklärten Verkehrsführung in Darmstadt zudem Wettbewerbsnachteile für Unternehmen in den östlich gelegenen Orten befürchten, fordern, die geplante West-Ost-Sperrung der Darmstädter Innenstadt für Lastwagen ab 7,5 Tonnen aufzugeben.
Die sei erst möglich, wenn „ein Gesamtkonzept für eine verträgliche Verkehrsführung“ vorliege. Als wichtige Rahmenbedingung nennen sie die Nord-West-Umgehung.
Darmstadts Verkehrsdezernent Dieter Wenzel (SPD) ist zwar prinzipiell mit der Sperrung einverstanden, sieht aber auch die Probleme in den Kreisgemeinden. Sein Lösungsvorschlag: Die Lastwagen müssten über das Frankfurter Kreuz zur A 3 geleitet werden. Das allerdings hätte ein großräumiges Durchfahrtverbot zur Folge.
Unterdessen werfen Bürgermeister und Landrat dem Umweltministerium vor, sich bei dem Aktionsplan für Darmstadt über die Konsequenzen für andere Kommunen nicht im Klaren zu sein.
Eine Ministeriumssprecherin weist diese Kritik zurück: „Im laufenden Anhörungverfahren haben die Kommunen ja Gelegenheit zur Stellungnahme.“ Erst nach einem Abwägungsprozess erfolge die Festschreibung des Plans.