Gespräch mit dem Chef eines großen Speditionsunternehmens und Sprecher des IHK-Verkehrsausschusses
ECHO: Macht es Lastwagenfahrern Spaß, andere Menschen zu quälen?
Bender: Spaß . . .
ECHO: Wenn sie nachts mit Tempo siebzig durch dicht bewohnte Straßen donnern.
Bender: Nein, das macht eigentlich keinen Sinn.
ECHO: In Darmstadt passiert das jede Nacht.
Bender: Es wird viel zu wenig gesehen, dass der Lkw der Motor der Wirtschaft ist. Ohne gesicherte Zustellung der Produkte funktioniert die Wirtschaft nicht.
ECHO: Sie sprechen an, dass die Industrie den Transport als rollende Lagerhalle nutzt. Aber damit kann man doch nicht rechtfertigen, dass Lastwagenfahrer sich nicht an die Regeln halten.
Bender: Nun, schwarze Schafe gibt es überall. Unsere Spedition kann sich solches Verhalten nicht leisten. Wir transportieren Gefahrgut für die Degussa, also Röhm, und dort würde man es nicht schätzen, wenn unsere Fahrer negative Schlagzeilen machten, oder gar einen Unfall, weil sie sich nicht an die Lenkzeiten halten.
ECHO: Und warum tun es die schwarzen Schafe?
Bender: Nehmen Sie einen Fahrer, der sitzt mit seinem Wagen freitags um 20 Uhr leer in Köln. Der will natürlich dort nicht übernachten, der will schnell heim.
ECHO: Wenn Fahrer die B 26 und den Weg durch Darmstadt als Abkürzung zwischen den Autobahnen benutzen, welcher Faktor ist dabei ausschlaggebend – Geld, das heißt Sprit und Maut zu sparen, oder Zeit?
Bender: Ganz klar der Zeitfaktor. Dass auf der Bundesstraße keine Maut anfällt, nimmt man mit, aber die Abkürzung wurde schon vor der Lkw-Maut benutzt. Es wird ja niemand dazu angehalten, diese Strecke zu nehmen. Aber die Fahrer sagen sich, es geht schneller.
ECHO: Das heißt also, wenn Darmstadt die Fahrt durch die Stadt langsamer machen würde, blieben die Lastwagen auf der Autobahn?
Bender: Mit Sicherheit. Sobald Darmstadt was macht, sind die Lastwagen weg.
ECHO: Dann ist es also richtig, dass im Zuge der Feinstaubbelastung ab September die West-Ost-Durchfahrt gesperrt wird?
Bender: Die Grundsatzentscheidung ist okay, ja, aber nicht im Zusammenhang mit Feinstaub.
ECHO: Wieso?
Bender: Weil sich damit nur die Politiker ins rechte Licht stellen wollen. Die haben gesehen, das passt jetzt – der Lkw ist schuld, als drauf, drauf, drauf. Aber der Lkw verursacht nur zehn Prozent des Feinstaubs, den Rest verursacht die Industrie, und der macht man keine Auflagen.
ECHO: Aber der Lkw verursacht den Feinstaub dort, wo die Menschen wohnen.
Bender: Na ja, wenn ich ausgerechnet in der Hügelstraße messe, wo die Belastung am höchsten ist, dann ist es doch klar, dass auch die Werte hoch sind.
ECHO: Was sollte denn Ihrer Meinung nach geschehen?
Bender: Ich meine, das sind Maßnahmen, die das Problem nicht lösen. Sie verlagern es nur. Der Lkw bleibt ja nicht stehen. Der fährt dann bloß woanders. Man muss das Problem grundsätzlich bekämpfen.
ECHO: Nämlich?
Bender: Bei den Verursachern des Verkehrs. Wir transportieren deutsches Joghurt nach Spanien und wieder zurück, um es dort verpacken zu lassen, nur weil in Spanien die Löhne niedriger sind. Die Hersteller sind unsere Auftraggeber. Ich wäre ein schlechter Kaufmann, wenn ich solche Aufträge nicht annehmen würde.
ECHO: Joghurtbecher für Joghurtbecher mit dem Lkw?
Bender: Ja, da kann man ansetzen. Unsere Spedition betreibt seit anderthalb Jahren ein Pilotprojekt zusammen mit dem Gernsheimer Hafen. Bisher kamen Waren für große Handelsketten in Hamburg an und wurden dann von uns mit dem Lkw in Deutschland verteilt. Nun lenken wir die Frachter um nach Antwerpen und bringen die Ware mit Binnenschiffen bis Gernsheim. Erst hier geht sie auf den Lastwagen. Ein Schiff lädt soviel wie 150 Lkw. Weil wir von hier aus die Abnehmer viel besser erreichen können als von Hamburg aus, sparen wir 17 000 Autobahnkilometer. Und der Kunde spart die Maut.
ECHO: Wenn man mit Reedereien kooperieren kann, warum nicht auch mit der Eisenbahn?
Bender: Ich muss kurzfristig disponieren können, am selben Tag. Da brauche ich niemanden, der sich mit seiner Antwort zwei Wochen Zeit lässt.
ECHO: Aber grundsätzlich ist das die Zukunft, Verkehr zu vermeiden und Verkehr so auf verschiedene Träger zu verlagern, dass alle davon einen Nutzen haben?
Bender: Ja. Aber wenn Sie einen Verkehrsminister haben, der im Vorberuf Pfarrer war, dürfen Sie an Konzepten für die Zukunft nicht so viel erwarten.
ECHO: Zurück zu Darmstadt. Werden Sie jetzt also ab September Ihren Fahrern sagen, bleibt auf der Autobahn?
Bender: Wir sagen unseren Leuten, A 3, A 5. Dann gibt es dort halt noch mehr Stau. Wissen Sie, eines hat mich sehr enttäuscht, dass die Politik zu keinem Zeitpunkt das Gespräch mit uns Spediteuren gesucht hat. Man hätte doch auch im Verkehrsausschuss der IHK mal fragen können – ihr seid die Praktiker, wie könnte eine gemeinsame Lösung aussehen. Dieser Ansatz hat mir bei der ganzen Geschichte gefehlt.