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06.05.2005

Quelle:Frankfurter Rundschau

Analyse: Verkehr hat sich verdoppelt, der Straßenraum zum Glück nicht

Lösungen für die Darmstädter Verkehrsprobleme sind nicht leicht zu finden. Eine Idee ist das City-Logistik-Konzept für Lastwagen, ein positives Beispiel der Bau der Straßenbahn nach Kranichstein.

Darmstadt leidet unter den vielen Autos und Lastwagen, die durch die Stadt fahren oder ein Ziel in der City haben. Über 60000 Pendler kommen täglich in die Wissenschaftsstadt. Darmstadt schafft als wirtschaftliches Zentrum in der Region automatisch Verkehr. Angestellte müssen in Büros, Waren werden zu den zahlreichen Geschäften geliefert.

Ein Teil des Verkehrsproblems ist hausgemacht: In Darmstadt sind über 73000 Personenwagen und 3700 Lastwagen angemeldet. Die Zahl der Fahrzeuge mit Darmstädter Kennzeichen hat sich seit den siebziger Jahren fast verdoppelt, der Straßenraum ist nicht im gleichen Maß gewachsen. Das wäre städtebaulich auch gar nicht wünschenswert. Verschärft wird das Problem dadurch, dass die Hauptverbindung in West-Ost-Richtung, die Bundesstraße 26, mitten durch die Stadt, an Wohnhäusern, Elisabethenstift und Klinikum vorbeiführt. Zudem schnürt der Cityring die Innenstadt ein und trennt Martins- und Johannesviertel sowie den östlichen Teil der ehemaligen Altstadt rund um die Stadtbücherei vom Stadtzentrum ab. Darmstädter und Besucher spüren die Belastungen durch den Auto- und Lastwagenverkehr deshalb unmittelbar. DieVerkehrsadern wie Heidelberger Straße, Neckarstraße, Hindenburgstraße, Kasinostraße oder Berliner Allee lassen laut städtischen Verkehrsplanern eine grüne Welle kaum zu. Dazu sind die Abstände zwischen den Kreuzungen zu unregelmäßig.

Die Belastung durch den abstrakt genannten "Motorisierten Individualverkehr" (MIV) gibt es seit Jahren. Doch erst seit Jahresbeginn wurde sie zum drängenden politischen Thema. Denn eine neue EU-Richtlinie, die seit 1. Januar in Kraft ist, schreibt zur Luftreinhaltung bestimmte Grenzwerte vor. Im Blickpunkt der Kritik sind die Lastwagen, deren Dieselmotoren als eine der Hauptquellen der Luftverschmutzung gelten.

So leicht die Ursachen der Darmstädter Verkehrsprobleme benannt werden können, die Lösung fällt umso schwerer. Eine Citymaut für Lastwagen, deren Einführung die Stadt prüfen will, hilft kaum weiter. Denn rund neunzig Prozent des LastwagenVerkehrs hat ein Ziel in der Stadt, etwa um Waren auszuliefern. Eine zusätzliche Abgabe wird diese Fahren nicht verhindern. Das gleiche gilt für die Nordostumgehung, die den Lastwagenverkehr aus dem gleichen Grund nicht aus der Stadt heraushält.

Fahrverbot hilft kaum

Ein LKW-Fahrverbot für die City, das der Magistrat als letztes Mittel zur Senkung der Schadstoffbelastung in der Luft nicht ausschließt, kann sich nur an die zehn Prozent LKW-Durchgangsverkehr richten. Ein allgemeines Verbot würde Innenstadtgeschäfte von ihren Zulieferern abschneiden. Da wäre es schon besser, das City-Logistik-Konzept wieder aus der Schublade zu holen, über das vor einigen Jahren zur Reduzierung des Lastwagenverkehrs diskutiert wurde. Es sieht vor, dass Lastwagen ihre Waren nicht mehr direkt zu den Geschäften bringen, sondern in so genannten Verteilzentren vor den Toren Darmstadts ausladen. Von dort werden die Güter der verschiedenen Speditionen mit kleineren Transportern in die City gebracht.

Ob ein Leitsystem Parksuchverkehr verhindert, ist fraglich. Denn Autofahrer suchen häufig nicht nur einen freien, sondern einen kostenlosen Parkplatz. Die Parkhäuser am Cityring finden auch Nicht-Darmstädter leicht. Sie sind selten so voll, dass eine Verkehrslenkung nötig wäre.

Realistisch gesehen hat die Kommunalpolitik nur wenig Einfluss, die Verkehrsbelastung durch Kraftfahrzeuge zu senken. Die Stadt kann den oft beschworenen Ausbau des öffentlichen Verkehrs als Alternative mangels Geld nicht im notwendigen Umfang vorantreiben. Dabei zeigt das Beispiel der Straßenbahn nach Kranichstein, dass attraktive Linien die Bürger zum Umsteigen bewegen. So haben es die Autofahrer selbst in der Hand, die Belastung durch den Verkehr zu verringern. Denn rund 60 Prozent der Fahrten sind kürzer als drei Kilometer. Diese Strecke kann auch mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.

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