2007 sind die Arbeiten zwischen Weißem Turm und Reiterdenkmal abgeschlossen
Darmstadt hat seine ganz eigenen kalendarischen Eckdaten. Man könnte von Zwängen sprechen. Wer vorm Schloss ein großes Baustellentohuwabohu einrichtet, darf dies nur zwischen Heinerfest und Weihnachtsmarkt.
„Das sind nun mal die wichtigsten Daten des Jahres“, skizzierte Baudezernent Dieter Wenzel am Samstag die Terminnöte bei der völligen Umorganisation der ältesten Haltestelle Darmstadts, der Haltestelle Schloss. Den Terminnöten wurde exakt entsprochen. Der neue Haltepunkt ist da, der Weihnachtsmarkt kann kommen.
Seit Samstag entspricht die historische Haltestelle noch besser ihrem Namen. Zuvor mitten auf dem Ernst-Ludwig-Platz gelegen und diesen nicht selten als Bus- und Tramparkplatz gänzlich blockierend, liegt sie nun in voller Breite vor der Südfront des Schlosses, erschließt sich in den Marktplatz hinein.
Vor zwanzig Jahren schon von Architekt Udo Nieper thematisiert, vor fünfzehn Jahren schon beschlossen, ist der verkehrsoptimierend ausgestattete Haltepunkt nun also „in wahnsinnig kurzer Zeit“ (Wenzel) fertiggestellt worden. Er liege nun auch im Sollabstand jeweils 300 Meter entfernt von den benachbarten Haltepunkten Schulstraße und Luisenplatz.
Harald Fiedler, Geschäftsführer der Heag mobilo, fragte ganz offen, wie es denn sein könne, dass „man einen Millionenbetrag in die Hand“ nehme, „um eine Haltstelle um hundert Meter zu verlegen“. Aber er antwortete auch sogleich, parabelhaft.
„Wir haben hier eine alte Scheune abgebrochen und ein ordentliches neues Haus gebaut“, so müsse man das Ergebnis dieser „Mammutbaustelle im Herzen der Stadt“ einordnen. Gegen alle Verdächtigungen der vom Baustellendurcheinander, von Baustaub und -lärm verstörten und aufgebrachten Bürger stellte Fiedler fest: „Hier wurde keine U-Bahn gebaut.“ Die Gesamtkosten von 5,2 Millionen Euro trage zu 80 Prozent das Land, den Rest teilten sich Heag mobilo und Stadt.
Oberbürgermeister Walter Hoffmann hob die Wirkungen und Nebenwirkungen des verlegten Haltepunktes hervor. Er stärke die Attraktivität des Marktplatzes und der gesamten östlichen Innenstadt, ordne Wegebeziehungen neu, was in Bälde durch den Einzug eines Tegut-Marktes ins ehemalige Stegmüller-Gebäude auch ökonomisch noch verstärkt werde.
Marktplatz wie Schloss bekämen durch den Nahverkehrshaltepunkt einen höheren Stellenwert. Nicht zuletzt: „Das Kongress- und Wissenschaftszentrum und die Stadt rücken näher zusammen.“ Wenzel kündigte zudem an, dass für das Zentrum eine „Bedarfshaltestelle“ am östlichen Schlossgraben eingerichtet werde. Wenn es soweit ist.
Mit einer Gesamtlänge von neunzig Metern bietet die neue Station soviel Platz, dass an mehreren Halteplätzen zeitgleich Fahrgastwechsel möglich werden. Zudem können sich Busse und Bahnen gegenseitig überholen und somit auch zügig und frei von wechselseitiger Behinderung wieder abfahren. Damit erklären sich auch die für manche Betrachter seltsam erscheinenden Gleisschwünge vor dem Schloss. Sie dienen der Takt-Beschleunigung.
Mehr als 1500 Fahrzeuge werden täglich an der neuen Station halten. Selbst für Fiedler „eine erstaunliche Zahl“. Die Ausstattung der Haltepunkte wird komplettiert durch so genannte „Kasseler Hochborde“ (Bahnsteige für behindertengerechten Einstieg), transparente Wartehallen, die in keiner Weise den Blicks aufs Schloss vom Alten Rathaus her beeinträchtigen, nicht zuletzt Fahrkartenautomaten und „dynamische Fahrgastinformationen“ (digitale Infotafeln).
Was die vier Wartehäuschen aus Stahl und Glas anbelangt, so fehlt dreien von ihnen noch das Milchglasdach. Alle fehlenden Ausstattungsdetails, versichert Heag mobilo, würden bis Ende der Woche nachgerüstet.
Was ebenfalls noch aussteht, ist die final installierte Beleuchtung. Hier laufen noch Tests und Stellproben, die Architekt Udo Nieper durchführt. Er wünscht sich Laternen von der Firma Hess, die mit indirekter Lichtzufuhr und damit blendfrei leuchten.
Und Nieper versucht dies auch gleich mit der für 2006 geplanten Neugestaltung des nun verwaist und ungeordnet brachliegenden Ernst-Ludwig-Platzes zu verbinden. Alle, die sich über den Abschluss einer Großbaustelle freuen, können hier bereits die unabweisbar nächste in Augenschein nehmen.
Sind dann 2007 auch die Arbeiten zwischen Weißem Turm und Reiterdenkmal abgeschlossen, dann, sagt Nieper, „soll der Platz Schlossplatz heißen. Das wünsche ich mir.“