Ersatz für Diesel: Diplomarbeit an der Technischen Universität Darmstadt
Wolf-Dieter Zorn fährt einen alten Mercedes-Kombi 250 D. Seit einem Jahr tankt er nicht mehr Diesel, sondern Plantanol. Mit zunehmender Begeisterung, denn der Biokraftstoff ist preiswerter als Diesel – und sauberer.
Inzwischen ist der Darmstädter Werbeberater von Plantanol derart überzeugt, dass er dafür kräftig die Trommel rührt. Mit Erfolg: Als erstes großes Unternehmen stellt der Omnibusbetrieb HAV – vormals Mendel – in diesen Tagen alle Linienfahrzeuge auf Plantanol um.
„Herr Zorn hat uns mit dem Hersteller, der Weiterstädter Firma Runkel, zusammengebracht“, sagt HAV-Geschäftsführer Ralph Nadler. „Was wir dort hörten, klang so gut, dass ich gesagt habe, wir probieren das aus.“ Die Probephase dauerte ein dreiviertel Jahr – dann war klar: HAV stellt seine komplette Flotte um, immerhin dreißig Busse.
Zwei Fernreisebusse kommen wohl als letztes dran, wegen der noch unklaren Versorgung auf weiten Strecken. „Man kann problemlos Diesel zutanken, doch im Ausland hat das meist schlechte Qualität“, sagt Nadler.
Von Plantanol jedoch spricht der Firmenchef genauso enthusiastisch wie der Werbemann Zorn. „Das ist ein Superzeug“, lobt Nadler. „Es bringt dieselbe Leistung wie Diesel, der Verbrauch ist gleich, aber es ist viel preiswerter. Und vor allem – es entlastet die Umwelt. Der ganze Dreck, der im Diesel drin ist, kommt ja irgendwann auch wieder raus. Selbst mit Rußfilter. Bei Plantanol gibt es diesen Dreck nicht.“
Nadler verweist auf eine kurz vor dem Abschluss stehende Diplomarbeit an der Technischen Universität Darmstadt. Die Ergebnisse werden Ende des Monats vorliegen. „Ich rechne“, so Nadler, „mit einem um sechzig Prozent geringeren Partikelausstoß .“
Dafür, dass dies so ist, hat Jürgen Runkel sieben Jahre lang hart gearbeitet. Der Motorenfachmann testete immer wieder neue Kraftstoffkombinationen auf biologischer Basis. „Wir sind auch mal fünftausend Kilometer mit Öl von Aldi gefahren, weil es so günstig war. Aber dann war der Motor verklebt – im Speiseöl ist zuviel Phosphat.“
Seit einem Jahr endlich stimmt die Formel: Plantanol. Aus rechtlichen Gründen muss er „Plantanol-Diesel“ schreiben. Leider, denn das, bedauert Runkel, legt die Verwechslung mit dem so genannten Biodiesel nahe – herkömmliches Rapsöl.
„Aber genau das ist Plantanol nicht“, betont Runkel. Das Problem bei Pflanzenkraftstoffen: Sie sind zu zähflüssig. Sie müssen also verdünnt werden und erhalten weitere „Additive“ (Zusatzstoffe). Beim Biodiesel ist das Methylester. Eine Verbindung, die in der Fachwelt als weniger leistungsfähig bezeichnet wird; außerdem würden dabei die Motoren stärker belastet. Kurze Ölwechselintervalle zum Beispiel sind die Folge.
Anders bei Plantanol, erklärt Runkel. Verständlicherweise will er Additive und Verdünnung, das heißt die Zusammensetzung seines Kraftstoffs, nicht nennen: "Betriebsgeheimnis". Für Plantanol könnten jedenfalls zehn der insgesamt vierhundert Ölpflanzen verwendet werden. Runkel hat lange Leindotter benutzt, eine Pflanze, die gemeinsam mit. Getreide gesät und geerntet wird ("Mischfrucht") und deswegen keine zusätzlichen Anbauflächen benötigt.
Raps ist leicht verfügbar
"Ideal", sagt Runkel - doch im Augenblick gibt es davon zu wenig in der näheren Umgebung. Deswegen ist die Basis von Plantanol derzeit der eben leichter verfügbare Raps. Das "Superzeug" tauge für jedes Dieselauto.
Und wo bekommt man Plantanon? Zunächst bei der Firma Runkel in Weiterstadt (Gräfenhausen, Taunusstraße 39); geplant ist für Darmstadt auch eine Zapfsäule in der Tankstelle Brandau am Grünen Weg. "Dafür muss der Super-Plus-Tank umgebaut werden, ein Sprit, der ja kaum gefragt ist", erläutert Runkel. Eine entsprechende Firma sei damit beauftragt worden.
Der Liter soll 98 Cent kosten
Doch das wird nicht die einzige Darmstädter Bezugsquelle bleiben. Der Omnibusbetrieb HAV hat sich entschlossen, ebenfalls Plantanol herzustellen und zu vertreiben. "Wir richten hier eine Tankstelle ein", sagt Nadler, dessen Remisen in der Bismarckstraße stehen. "Und dann sind wir auch in der Lage zu liefern - in 30.000-Liter-Gebinden." Der Liter Plantanol kostet jetzt 1 Euro; Nadler peilt ,,95 Cent an, das wär' doch was". Vierzig Pfennig billiger als Diesel (gestern 1,15 Euro).
Dafür interessiert sich unter anderem der Eigenbetrieb Abfallentsorgung Darmstadt (EAD), der nicht nur die Müllautos unterhält, sondern den gesamten städtischen Fuhrpark betreut. "Wir haben seit 2001 dreißig Fahrzeuge im Versuch mit Biodiesel laufen", sagt Felix Kusicka, technischer Leiter. "Als wir von Plantanol erfuhren, haben wir zusätzlich drei Fahrzeuge darauf umgestellt - einen Müllwagen, eine Kehrmaschine und einen Pkw." Acht Wochen sind die Plantanolautos mittlerweile "permanent im Einsatz"; exakte Daten hat Kusicka noch nicht, "die Rückmeldungen aus dem Fahrdienst sind aber sehr positiv".
Kusicka könnte sich daher gut vorstellen, dass später mal alle 220 städtischen Dieselfahrzeuge mit Plantanol laufen. Aussichten, die Werbefachmann Zorn freuen. Eifrig sammelt er neue Interessenten: "Die Stadtwerke Rüsselsheim, mit der Unterstützung von Opel, habe ich, und auch die Mannheimer Mercedeswerkstatt will Plantanol versuchen. Das macht unheimlich viel Mut."
Nur die Heag habe abgewinkt, sagt Zorn, das habe ihn doch arg gewurmt. Heag-Betriebsdirektor Karl-Heinz Holub war gestern telefonisch im Wallis zu erreichen, auf dem Weg nach Zermatt. Die Heag Entscheidung mochte er auch aus dem Urlaub erklären. "Ganz einfach - Runkel hat mir damals nicht zusichern können, jede Woche 66.000 Liter Teibstoff zu liefern. Und zum zweiten habe ich von unseren Busherstellern, Mercedes und MAN, keine Freigabe bekommen, Plantanol zu verwenden." Darüber könne man sich zwar hinwegsetzen, "aber wenn am Motor was ist, habe ich keine Garantieleistung mehr".
Testreihen beim TÜV
Nun, Vielleicht verfliegen diese Hindernisse ja bald. Laut Zorn "ist auch der TÜV mit im Boot und macht Testreihen", danach könnte Plantanol Anerkennung bei der Industrie finden, die Mineralölwirtschaft ausgenommen. Und wenn HAV mit der Pflanzenkraftstoffproduktion beginnt, sollte die Heag ausreichende Mengen einkaufen können. "Denn", jubelt Zorn, "das ist ja das eigentlich Tolle daran - Plantanol kann man überall und leicht produzieren, da, wo es gebraucht wird. Stellen Sie sich mal vor, die ganzen Dieseltransporte, die entfallen dann.“