Zurück

05.04.2005

Quelle:Darmstädter Echo

Stufenplan gegen Feinstaub

Auch eine City-Maut für Lkw werde geprüft

Mit einem mehrstufigen Aktionsplan will die Stadt Darmstadt die außerordentlich hohe Belastung der Luft mit gesundheitsschädlichen Feinstäuben verringern. So soll etwa ab Mitte Mai die Rheinstraße zwischen Kasino- und Grafenstraße für den Lastwagenverkehr gesperrt werden. Außerdem will die Stadt mit Zuschüssen die Nachrüstung von Lastwagen mit Partikelfiltern fördern.

In weiteren Stufen seien zusätzliche Verkehrs-Umlenkungen bis hin zur völligen Sperrung der Innenstadt im Gespräch, erklärten die Dezernenten Klaus Feuchtinger (Umwelt) und Dieter Wenzel (Verkehr) am Montag. Auch eine City-Maut für Lkw sei weiter im Gespräch.

Die Sperrung der innerstädtischen Rheinstraße soll - folgt man der Darstellung der beiden Stadträte - im wesentlichen dazu dienen, einen einzigen schadstoffträchtigen Beschleunigungsvorgang von Lastwagen einzusparen, nämlich den aus dem City-Tunnel nach links bergauf in die Hügelstraße. Genau dort am Tunnelausgang steht die Luftmessstation, mit der in den vergangenen Jahren die stärkste Feinstaub-Belastung in ganz Hessen gemessen worden war.
Neue Chance für ein Lkw-Nachtfahrverbot?

Lastwagen im West-Ost-Verkehr sollen stattdessen künftig bereits über die Neckarstraße auf die Hügelstraße geleitet werden, um dann geradeaus ohne weiteren Bremsvorgang durch die Tunnelsenke am Wilhelminenplatz zu fahren.

Vorher solle es aber eine Verkehrszählung geben, um zu ermitteln, ob überhaupt eine nennenswerte Zahl von Lastern über die obere Rheinstraße in den Tunnel fahre, erklärte Wenzel. Eine Sperrung könne dann von der Stadt relativ kurzfristig eingerichtet werden.

100 Euro will die Stadt zuschießen, wenn ein in Darmstadt zugelassener Lastwagen mit einem Partikelfilter nachgerüstet wird (die Kosten dafür werden auf 800 bis 1000 Euro geschätzt). 3721 Lkw gebe es in der Stadt, erklärte Wenzel, "wir rechnen damit, dass etwa die Hälfte davon nachrüstbar ist". Demnach werde die Förderung die Stadt maximal 185000
Euro kosten: "Das ist es uns wert", sagte der SPD-Stadtrat. Das Angebot gelte bis zum Erlass einer bundeseinheitlichen Regelung.

"Das ist nur die erste Stufe", sagte Feuchtinger dazu; "wenn das nicht greift, müssen wir uns weitere Schritte vorbehalten. "Vor Fertigstellung der geplanten Nordost-Umgehung gebe es allerdings wenig Möglichkeiten, den Lkw-Verkehr in der Stadt umzulenken. Die zweite Stufe des Aktionsplans stehe vermutlich erst Anfang nächsten Jahres auf der Tagesordnung, wenn die weitere Entwicklung der Luftmesswerte erkennbar sei.

"Erstaunt und verblüfft" zeigte sich der Grünen-Politiker davon, dass an der Station Hügelstraße seit Jahresbeginn bereits an 25 Tagen der neue Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft überschritten wurde. Maximal 35 Überschreitungen sind gesetzlich "erlaubt". Er sei nun sicher, dass diese Zahl in den nächsten sechs bis
acht Wochen erreicht werde. Im Jahr 2004 sei die 35- Tage-Marke nicht "gerissen" worden, sagte der Umweltdezernent.

Dieser Hinweis deckt sich allerdings nicht mit den maßgeblichen Daten des Landesamts für Umwelt und Geologie, das die Messungen der Stationen auswertet. Nach dessen Angaben wurde der jetzt gültige Grenzwert im Jahr 2004 an nicht weniger als 60 Tagen überschritten. Die Entwicklung im laufenden Jahr erscheint vor diesem Hintergrund keineswegs überraschend.

Der Magistrat will jetzt prüfen, ob die EU-Richtlinie zur Luftreinhaltung neue Chancen für das seit langem angestrebte Nachtfahrverbot für Lastwagen im Stadtgebiet eröffnet. Bislang habe das Regierungspräsidium entsprechende Vorstöße unter Hinweis auf die Rechtslage abgeblockt, berichtete Wenzel. "Wir wünschen uns ein klares Signal von der Landesregierung, dass sich diese Rechtslage durch die EU-Richtlinie verändert hat", sagte Feuchtinger.

Die Chancen dafür scheinen nicht schlecht zu stehen - immerhin sind die Kommunen verpflichtet, zum Schutz ihrer Bürger für die Einhaltung der EU-Grenzwerte zu sorgen.

Weiterhin werde zur Verkehrsvermeidung der Bau einer Straßenbahnlinie nach Weiterstadt erwogen, sagte der Umweltdezernent. Wenzel berichtete über gescheiterte Verhandlungen mit der Bahn AG mit dem Ziel, ausreichend Güterwaggons zur Versorgung von Firmen im Westen Darmstadts per Schiene bereit zu stellen. Das Interesse der dort ansässigen Firmen sei groß, die Bahn habe sich aber gleichgültig gezeigt.

Der Darmstädter SPD-Landtagsabgeordnete Michael Siebel forderte die Landesregierung auf, die steuerliche Förderung von Rußfiltern in Dieselfahrzeugen "nicht länger zu blockieren". Das hessische Umweltministerium habe sich dem Feinstaub-Problem "viel zu spät gewidmet".

-------------------
Info: Woher kommt die Belastung

Für die Feinstaub-Belastung gibt es ein Bündel von Ursachen. Nach Angaben des hessischen Umweltministeriums, die im Entwurf für einen luftreinhalteplan für das Rhein-Main-Gebiet niedergelegt sind, sieht dort die Feinstaub-Emissionsbilanz für das Jahr 2000 so aus (Anteil an der Gesamtbelastung):
Industrie: 52 Prozent
Gebäudeheizung: 11 Prozent
Kfz-Verkehr. 33 Prozent
Flughafen: 1 Prozent
Schifffahrt 2 Prozent
Schienenverkehr. 1 Prozent.

Manche Wissenschaftler weisen darauf hin, dass auch natürliche Ursachen wie Vulkanausbrüche oder angewehter Wüstensand eine Rolle spielen könnten.

Klar ist, dass sich das Belastungsbild in Großstädten - die derzeit auch die größten Probleme mit der Einhaltung der Grenzwerte haben - anders darstellt. Für Darmstadt wird im amtlichen luftreinhalteplan beim Feinstaub-Ausstoßfolgende Verteilung ermittelt:
Kfz-Verkehr: 53 Prozent
Gebäudeheizung: 33 Prozent
Industrie: 14 Prozent.

Hauptverursacher ist demnach der Verkehr, oder besser: der Verkehr mit Dieselfahrzeugen, denn der Anteil der Autos mit Ottomotor - das sind etwa 80 Prozent aller Kraftfahrzeuge - am Feinstaubausstoß ist laut Studie mit weniger als 0,1 Prozent kaum messbar. Unter den Dieselfahrzeugen sieht die Verteilung so aus:
Pkw, leichte Lkw (Lieferwagen): 41 Prozent
Schwere Lkw: 46 Prozent
Busse: 13 Prozent.

Maßnahmen, die beim Lastwagenverkehr ansetzen, erscheinen demnach im Kampf gegen die Feinstaub-Belastung in einer Großstadt wie Darmstadt durchaus Erfolg versprechend.

Kurz-URL:

Link teilen: Quelle twittern 

Zurück