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11.11.2005

Quelle:Darmstädter Echo

Wirtschaft in Sorge wegen der Lkw-Sperrung

Feinstaub: IHK spricht von Hysterie, Stadt und Land halten dagegen – Experten uneins über Belastung durch Verkehr

Der Feinstaub-Aktionsplan für Darmstadt bleibt umstritten. Neben den Umlandgemeinden hat auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Bedenken angemeldet wegen des darin enthaltenen Durchfahrt- und Nachfahrverbots für Lkws über 3,5 Tonnen. Kern der Kritik: Nur ein kleiner Teil des Staubs stamme vom lokalen Verkehr. Der größere Teil werde von weit her eingetragen, lokale Aktionspläne brächten deshalb wenig.

„Der Aktionsplan ist das falsche Signal für den Wirtschaftsstandort Darmstadt“, sagte Volker Hofmann, Vorsitzender des IHK-Verkehrsausschusses und Geschäftsführer der Spedition Lohr. Er forderte „weniger Hysterie, mehr Nachdenken“.

Vertreter der Autoindustrie, Wirtschaft, Wissenschaft, der Stadt und des hessischen Umweltministeriums tauschten sich am Dienstag bei einer Veranstaltung der IHK Darmstadt aus. Trotz des provokativen Titels „Feinstaub – Umweltproblem oder aufgeblasenes Medienphänomen“ blieb die Diskussion sachlich. Unter den 70 Gästen waren auch der Ober-Ramstädter Bürgermeister Werner Schuchmann und seine Roßdorfer Kollegin Christel Sprößler.

Matthias Klingner vom Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktur Dresden schätzte die Bedeutung des Wetters für die Staubkonzentration wesentlich höher ein als die des Verkehrs. Anders als bei Stickoxiden fand Klingner für Feinstaub keine Korrelation mit der Verkehrsdichte. Nur extrem verkehrsarme Zeiten wie Weihnachtsferien oder Wochenenden hätten spürbare Effekte. Die Staubkonzentration in Stadt und Land steige aber umso mehr, je länger es nicht regne, sowie bei Wetterlagen mit geringem Luftaustausch.

Während der Staub aber an Autobahnen schnell verweht, bleibt er in engen Straßenschluchten gefangen. Dort verursachten Lkws samt dem von Bremsen und Reifen stammenden Abrieb 17 bis 30 Prozent der Staubbelastung, schätzte Klingner. Rußpartikelfilter für Lkws und eine Verflüssigung des Verkehrs könnten Abhilfe bringen. Sperrungen einzelner Straßen brächten dagegen nichts.

Dem geplanten Nachtfahrverbot erteilte der Verkehrsexperte wegen Wirkungslosigkeit eine deutliche Absage: „Man kann nichts Blöderes machen, als nachts zu sperren“, sagte er.

Dem widersprach die Immissionsschutzexpertin Marita Mang vom hessischen Umweltministerium: Nachts seien zwar weniger Lastwagen unterwegs, es gebe aber öfters austauscharme Wetterlagen. Außerdem habe das Ministerium einen Ausgleich finden müssen, als es Lkws mit Zielen im Kreis Darmstadt-Dieburg von der Sperrung ausgenommen habe. Die Darmstädter hätten einen Anspruch auf Luft, die nicht gesundheitsschädlich sei.

Ähnlich hatte sich zuvor Stadtrat Klaus Feuchtinger (Grüne) geäußert, der bekannte, es sei ihm wegen ideologischer Angriffe schwer gefallen, zu der IHK-Veranstaltung zu kommen. Darmstadt habe mit der Feinstaub-Richtlinie erstmals die Chance, etwas gegen die Verkehrslawine zu unternehmen. Im Übrigen müsse die Stadt wegen einer anderen EU-Richtlinie in den nächsten Monaten auch einen Plan zur Lärmverringerung vorlegen. Dazu trage das Nachtfahrverbot bei. Die Stadt gehe beim eigenen Fuhrpark und der Heag Mobilo mit gutem Beispiel voran.

Ihm wäre es lieber gewesen, wenn die Bundesregierung mit Rußpartikelfiltern Maßnahmen an der Quelle ergriffen hätte, sagte Verkehrsdezernent Dieter Wenzel. Ziel des Aktionsplans sei es, den Durchgangsverkehr auf den Autobahnen zu halten. Mit den Kollegen aus dem Landkreis wolle er sich so schnell wie möglich „auf neutralem Boden“ zusammensetzen. Beim Nachtfahrverbot werde es Ausnahmen etwa für Tiertransporte, verderbliche Waren und Bäckereien geben.

Im Gegensatz zu Klingner kam Edgar Freund vom Umweltministerium zu dem Ergebnis, dass der Verkehr in Darmstadt 46 Prozent der Feinstaublast verursache. In der Hügelstraße machten schwere Laster trotz ihres geringen Anteils am Verkehrsaufkommen sogar zwei Drittel der Belastung aus. Stark belastet seien auch Heinrichstraße, Bleichstraße, Holzstraße, Karlstraße und Rhönring. „Lassen sie uns den Plan umsetzen und in einem Jahr sehen, was er gebracht hat“, appellierte Freund.

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