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10.10.2005

Quelle:Darmstädter Echo

„Geredet worden ist lange genug“

Lkw-Verkehr: Aktionsplan weckt Hoffnungen: Anwohner der B 26 sehen keine Alternative zum Durchfahrtverbot

Es ist ein Morgen wie viele andere: Hintereinander rumpeln ein Tanklastwagen, zwei große Stückgut-Transporter mit Anhänger, ein Brummi mit Kranaufbau und ein Getränkelaster die Landgraf-Georg-Straße hinunter. Dazwischen versuchen zwei Kleinwagen, ein Stückchen Straße für sich zu behaupten.

Seit kurzem gibt es Hoffnung, dass der übermäßige Lkw-Verkehr auf der Bundesstraße 26 im Stadtgebiet bald der Vergangenheit angehört: Die Stadt Darmstadt und das Land Hessen verhandeln derzeit über ein Durchfahrtverbot für Lastwagen, das Bestandteil des vorerst zurückgezogenen Feinstaub-Aktionsplans war. Danach dürften nur noch Laster, die tatsächlich ein Ziel in Darmstadt ansteuern, durch die Innenstadt fahren.

Friseurin Gerda Sporer (58), die seit mittlerweile 30 Jahren ihren Salon an der Landgraf-Georg-Straße betreibt, sehnt sich nach vergangenen Zeiten: „Früher war das schön hier. Da draußen war eine Einbahnstraße, es gab nicht so viel Verkehr, und die Kunden konnten noch vor dem Laden parken.“

Aber das ist schon lange her. „Heute kann ich noch nicht mal mehr die Ladentür aufmachen“, sagt Sporer. Dann sind Lärm und Gestank kaum noch zu ertragen. „Wenn manchmal drei, vier Laster hintereinander her fahren, können Sie sich auch so kaum noch unterhalten.“ Vor allem seit es die Lkw-Maut auf Autobahnen gebe, habe der Verkehr noch einmal deutlich zugenommen. Von ihr aus, sagt Sporer, könne die Stadt dort ruhig wieder eine Einbahnstraße einrichten. „Aber das ist ja völlig utopisch.“ Dass dringend etwas passieren muss, ist für sie indes klar: Andere Städte duldeten ja auch keine Durchfahrten von Lastern durch ihr Stadtgebiet.

Sporers Kollegin Rita Panvini (46) ergänzt: „Beim Frisieren spüre ich oft die Vibrationen, wenn draußen Lastwagen vorbeifahren.“ Wirklich ruhig sei es hier an der B 26 nie, sagt sie: „Selbst samstags nicht. Samstags geht's normalerweise so ab 10 Uhr los mit dem Verkehr. Einigermaßen ruhig ist es nur dann, wenn die Ampel am Fiedlerweg mal kurz auf Rot schaltet.“ Wohnen möchte sie hier nicht: „Das wäre mir viel zu laut.“

Kunde Hans-Willi Ohl (51), der sich von Gerda Sporer gerade den Bart stutzen lässt, lebt im angrenzenden Fiedlerweg. „Heute morgen bin ich aufgewacht von so einem Lkw“, erzählt Ohl. „Und das passiert häufiger.“ Denn der Straßenbelag im Fiedlerweg, der von Lastwagen ebenfalls stark befahren wird, ist schlecht. „Und die Brummis fahren nicht gerade langsam.“ Vor allem wenn ein leerer Laster mit ordentlich Tempo durch die Schlaglöcher rumpele, mache das gewaltigen Krach.

Die Verkehrssituation entlang der B 26 im Stadtgebiet hält Ohl für höchst problematisch: „Für die Menschen, die hier wohnen, ist die Belastung sehr hoch.“ Und er könne sich auch vorstellen, dass die Bausubstanz durch den enormen Verkehr geschädigt werde. Er hofft, dass sich bald etwas ändert: „Geredet worden ist lange genug. Ein totales LKW-Verbot wäre zwar ein drastischer Schritt, aber ich denke nicht, dass es eine andere Lösung gibt.“ Wenngleich auch klar sei, dass die Brummis dann andere Routen befahren würden, andere Kommunen belastet wären. Die Lösung, den Verkehr unterirdisch in einem Tunnel an Darmstadt vorbeifließen zu lassen, würde Ohl für die beste halten. Doch diese Variante ist wohl ähnlich utopisch wie Gerda Sporers wieder eingerichtete Einbahnstraße.

Annemarie Wolf (80) kann niemand etwas vormachen: Seit 1929 schon wohnt sie in der Landgraf-Georg-Straße, hat nicht nur wechselnde Mieter im Haus erlebt, sondern eben auch, wie sich der Verkehr verändert hat. „Es ist eine Schande“, sagt sie über die aktuelle Lage. Dass auch ihrer Meinung nach ein Durchfahrtverbot nötig ist, daran lässt die Seniorin keinen Zweifel – denn Lärm und Gestank durch die großen Fahrzeuge hält auch sie für eine enorme Belastung.

„Es gibt Nächte, in denen es ganz schlimm ist“, sagt sie. Selbst wenn man sich im Laufe der Zeit beinahe an den Lärm gewöhne. „Aber ganz abgesehen von uns normalen Anwohnern: ein Stück die Straße runter ist ein Krankenhaus“, gibt sie zu bedenken und hat dabei das Elisabethenstift und seine Patienten im Sinn.

Seit einem Jahr wohnt Manuela Neckerauer (38) an der Bundesstraße. Sie hat den Eindruck, dass vor allem am Nachmittag viele Lastwagen dort unterwegs sind. Ihre Wohnung ist zur Straße hin ausgerichtet, die Fenster hält sie wegen Lärm und Abgasen meist geschlossen.

Genauso macht es die dunkelhaarige Dame, die an diesem Vormittag am Ostbahnhof auf den Bus wartet und anonym bleiben möchte: „Die Wohnqualität ist hier stark beeinträchtigt“, sagt sie. Auch sie weiß, dass es einmal anders war, denn auch sie wohnt schon seit 1975 in der Landgraf-Georg-Straße. Dass sich etwas ändert, Laster vielleicht bald nicht mehr hier fahren dürfen, daran glaubt sie nicht so recht: „Wenn, dann passiert das nicht kurzfristig. Dann sprechen wir da über einen Zeitraum von vielleicht zehn Jahren.“ Während sie erzählt, muss sie fast schreien. Denn unaufhörlich rollen Laster vorbei.

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