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04.01.2006

Quelle:Darmstädter Echo

Parkplatz statt Umgehung?

Darmstädter Trassengegner diskutieren über Alternativen und wollen mobil machen

Um 20.30 Uhr zücken im hinteren Teil der „Martinsstuben“ alle die Portemonnaies. Ein paar Euroscheine wandern in einen unbenutzten Aschenbecher und von dort in die Hände von Heidrun Wilker-Werk, der Kassenwartin der „Bürgerinitiative Darmstadt gegen eine Nordostumgehung“.

Achtzig Euro kommen am Ende des Abends zusammen – Startguthaben für die ersten Aktionen, die bald anlaufen sollen. Es sind nicht viele, die es zum dritten Treffen der jungen Bürgerinitiative am Dienstag gezogen hat: Acht Leute sitzen um einen Tisch – zwei davon von der Unabhängigen Wählervereinigung „Uwiga“, die nur interessehalber gekommen sind und nicht direkt mitmachen wollen. Sechzehn Interessierte waren es beim vorigen Treffen Anfang Dezember.

Sie wollen den vollständigen Verzicht auf den Bau der Nordostumgehung – weil sie Stadt und Bürgerpark zerschneide, viel Geld koste, auf 30 Jahre alten Planungen und Berechnungen fuße, zusätzlichen Verkehr anziehe, aber an Darmstadts Einzelhandel vorbei nach Weiterstadt leite und weil sie die Abgasbelastung erhöhe. Aber ist es für diesen Protest nicht zu spät – zweieinhalb Jahre, nachdem die Umgehungsstraße in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen wurde?

Monika Herchenröder findet das nicht. „Das Projekt rückt näher, da ist es Zeit, zu handeln.“ Sie habe sich schon Ende der Achtziger gegen die Umfahrung engagiert. „Dann kam die Wiedervereinigung, das Projekt wanderte in die Schublade.“

Als Mitstreiter hat die Komponistenviertel-Bewohnerin unter anderem den Arheilger Stefan Nold gefunden, der ein Papier entworfen hat und darin Alternativen aufzeigen will. „Wenn wir eine größere Popularität haben wollen, können wir nicht die Totalverweigerer spielen“, befand er beim Treffen und stellte seine Ideen vor. Der Hauptansatz: Am Ostbahnhof solle auf dem Industriegelände zwischen Erbacher- und Hanauer Landstraße ein großer Parkplatz für Pendler, Einkäufer und Touristen entstehen und der Bahnhof zur Verkehrsdrehscheibe werden.

Auf den wieder aktivierten Straßenbahnschienen auf der Landgraf-Georg-Straße könnte die „Schnelle 11“ in die Innenstadt fahren. Finanzieren könne die Stadt das Ganze mit dem eingesparten Geld, das die Nordostumgehung kosten würde.

„Wir sollten keine Vorschläge machen, die an der Realität vorbeigehen“, warf ein Uwiga-Vorstandsmitglied ein. Skepsis bestand bei mehreren darüber, ob solche Park-and-Ride-Angebote angenommen werden. „Es gab da schon viele Versuche, aber die Leute sind nicht umgestiegen“, sagte ein Sitzungsteilnehmer.

Georg Hang vom Uwiga-Vorstand gab zu bedenken, dass beispielsweise der Lastwagenverkehr als eines der Hauptprobleme in dem Papier keine Erwähnung findet.

Kurze Diskussionen gab es auch über die Mini-Satzung und die Forderungen gegenüber der Stadt, die sich vor allem auf die Offenlegung aller Kosten, Berechnungen und Planungen beziehen. Dass einige zentrale Daten – etwa Trassenführung – im Internet einsehbar sind, wurde einigen aus der Initiative offenbar erst auf Hinweis der Uwiga-Leute bewusst.

Und dabei hat jemand eigens eine Homepage gegen die Nordostumgehung kreiert, dessen Name an diesem Abend häufiger fiel: Michael Siebert, Ex-OS/3-Mitglied, nun Kommunalwahl-Spitzenkandidat des Linksbündnisses WASG und erklärter Nordostumgehung-Gegner. „Ihm wollen wir eine Rückestütze sein“, befand Monika Herchenröder. Anwesend war er nicht – krankheitsbedingt.

Dass auch sein Name unter dem Nold-Papier steht, hörte er am Mittwoch auf ECHO-Anfrage zum ersten Mal. Er sei bisher als „Materiallieferant“ in Aktion getreten und sehe seine Rolle darin, sein Mandat auch im Interesse der Bürgerinitiative einzusetzen. „Zu einem vernünftigen Verkehrskonzept gehört sicher auch eine Park-and-Ride-Möglichkeit“, erläuterte er. „Aber sie allein ist genauso wenig die Ultima Ratio, wie die Nordostumgehung.“

Die Bürgerinitiative will nun mit offentlichkeitswirksamen Aktionen gegen die Umgehung mobil machen – wie genau, war am Dienstag noch unklar. „Wenn nicht alles hundertprozentig sitzt, ist es nicht so schlimm“, kommentierte Stefan Nold manchen inhaltlichen Einwand. „Hauptsache, es passiert was.“

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