CDU, SPD und Grüne sind zufrieden mit Kompromiss / Kritik von Umweltschützern, Nachbarkommunen und IHK
Der von der Stadt ausgehandelte Kompromiss beim Feinstaub-Aktionsplan stößt auf unterschiedliche Reaktionen. Der BUND kritisiert ihn als nicht weitreichend genug, die IHK als überzogen und die Nachbarkommunen sehen sich benachteiligt.
„Wir sind als Stadt auch nicht mit allem zufrieden“, sagte Darmstadts Umweltdezernent Klaus Feuchtinger (Grüne) am Montagabend, frisch aus Wiesbaden von den Abstimmungsgesprächen mit dem Umweltministerium zurückgekehrt. Der Kompromiss, den die Stadt eingehen musste und den die Nachbarkommunen und die Industrie- und Handelskammer (IHK) erzwangen, sieht wie berichtet so aus: Zwischen 6 und 20 Uhr dürfen weiterhin Lastwagen über 3,5 Tonnen durch Darmstadt fahren, deren Abfahrts- oder Zielort im Landkreis liegen. Andererseits hat die Stadt jedoch das seit Jahrzehnten geforderte Nachtfahrverbot für Lkw durchgesetzt.
SPD und Grüne im Stadtparlament werten den Kompromiss als Erfolg. „Wir freuen uns, dass endlich eine Entscheidung gefallen ist“, sagt Fraktionsvorsitzende Sabine Seidler (SPD). Zu den Abweichungen vom ursprünglichen Aktionsplan sagt sie: „Ob es reicht, die Feinstaubbelastung herunter zu bringen, sehen wir dann nach Monaten.“ Auch die Grünen sind zufrieden mit dem Ergebnis. Die Fraktion hätte, so die umweltpolitische Sprecherin Doris Fröhlich, sich allerdings noch nicht von dem Modell City-Maut verabschiedet. Noch am Montagabend hätten die Grünen in einer Fraktionssitzung einen Prüfantrag auf den Weg gebracht.
„Abkürzungen unterbinden“
„Im Prinzip sehen wir das erreicht, was wir auch forderten“, sagt der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Rafael Reißer. Beim Nachtfahrverbot sei allerdings noch zu prüfen, ob es nicht Härtefälle gebe, denen eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen sei. „Einen Tropfen auf den heißen Stein“, sieht FDP-Kreisvorsitzender Leif Blum. Der Feinstaubbelastung sei nur im Kontext eines umfassenden Verkehrsentwicklungsplans beizukommen, der auch die Kreise stärker berücksichtige.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert Nachbesserungen, „da insbesondere tagsüber keinerlei Verbesserungen gegenüber dem aktuellen Zustand zu erkennen sind“, wie Ortsvorsitzende Hanna Wittstadt und Landesvorstandssprecherin Brigitte Martin in einer Presseerklärung schreiben. „Abkürzungs- und Mautersparnisfahrten auch durch Lkw mit Start und Ziel im Landkreis Darmstadt-Dieburg müssen unterbunden werden.“
Aus Sicht der Nachbarkommunen gefährdet das geplante Fahrverbot in Darmstadt die Lebensqualität ihrer Bürger. Landrat Alfred Jakoubek (SPD) und die Bürgermeister der vier Landkreis-Kommunen Roßdorf, Reinheim, Ober-Ramstadt und Mühltal bleiben bei ihrer Meinung, dass durch die Umsetzung eine höhere Verkehrsbelastung für das Umland drohe, teilt die Pressestelle des Landkreises mit. Der Landrat habe – angesichts von 40 Prozent Transitverkehr, der sich nach der Sperrung neue Wege suche – die klare Forderung an das Verkehrsministerium gerichtet, die Fahrverbote auch für Roßdorf, Reinheim, Wembach-Hahn und Mühltal gelten zu lassen. Das Verkehrsministerium habe eine Überprüfung im Sinne der Straßenverkehrsordnung zugesagt.
Mit ihrem Widerspruch hatten der Landkreis und die Kommunen vor drei Wochen erreicht, dass Darmstadt und das Land Hessen die Suche nach einem Kompromiss überhaupt als notwendig erachteten. „Allerdings sehe ich in diesem nun vorgeschlagenen Plan keineswegs einen Kompromiss, von dem die umliegenden Gemeinden profitieren“, kritisiert der Bürgermeister aus Mühltal, Gernot Runtsch (SPD). Wie auch seine Amtskollegen bevorzuge er eine Ausweitung des Fahrverbots auf seine Kommune. Aus diesem Grund wolle die Gemeinde Mühltal nun beim Land beantragen, Feinstaubmessungen im Ort vorzunehmen.
„Anschlag auf Wirtschaftsstandort“
Für die IHK Darmstadt sind die Ergebnisse „ein Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Darmstadt“. Ein Nachtfahrverbot gefährde Betriebe, die nachts arbeiteten. „Es hilft nicht gegen den Feinstaub, stellt eine unverhältnismäßige Belastung der Unternehmen dar und ist rechtswidrig“, teilt Geschäftsführer Uwe Vetterlein mit. Sollte es dazu kommen, werde die IHK Unternehmen raten, dagegen zu klagen. Die Feinstaubdiskussion sei der „lang ersehnte Hebel, grüne Verkehrspolitik der 80er Jahre umzusetzen“.