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02.11.2005

Quelle:Darmstädter Echo

Gereizte Stimmung in der Fußgängerzone

„Zwecklos, Radler halten sich nicht an Regeln“

Der Mann ist aufgebracht. Gerade eben hat ihm eine Frau, die ihr Rad bergauf schiebt, ein paar unfreundliche Worte zugerufen und einen strafenden Blick gewidmet, weil er den Wilhelminenbuckel runterfährt. Das lässt der Radler nicht auf sich sitzen, denn schließlich ist dies ja seit Montag wieder erlaubt.

Kurz vor der Elisabethenstraße, also schon fast unten, dreht er um, fährt kraftvoll bergauf zurück, im Slalom um die Fahrbahnschwellen, eng an den Geschäften vorbei – und stellt mit ebenfalls strafendem Blick die Frau zur Rede. Die aber winkt ab, geht ihrer Wege. Der Radler schimpft, fährt erneut den Buckel runter. Passanten schütteln nur den Kopf.

Diese Szenerie von Dienstagmittag beschreibt zwar nur einen Einzelfall. Aber der ist symptomatisch: Die Aufhebung des Fahrverbots für Radfahrer und die neuen Fahrbahnschwellen in diesem abschüssigen Teilstück der Fußgängerzone lassen viele Radfahrer langsam fahren oder absteigen.

Aber viele nutzen nun die freien Bereiche an den Rändern – wo Passanten gehen, Geschäfte besuchen oder nur Schaufenster betrachten. Die neue Freiheit zum Slalomfahren – sie birgt nach Meinung vieler eine neue Unfallgefahr in sich.

„Ein Umdenken ist zwingend notwendig“, sagt beispielsweise Radfahrer Stefan Koitzsch. Die Schwellen seien keine Lösung, habe der 40 Jahre alte Industriedesigner für sich beobachtet. „Jetzt treffen Radler und Fußgänger an den engen Stellen seitlich der Schwellen aufeinander. Das ist nun wirklich nicht die eleganteste Lösung.“

Sein Vorschlag: Schwellen weg, Fahrverbot bergab, aber nicht bergauf. Maria Severin kann dagegen den Schwellen einiges abgewinnen. „Man bekommt zwar Respekt, wenn man drüber fährt“, sagt die Radlerin, die ihr Gefährt gerade vor einem Geschäft parkt.

Aber nach dem September-Unfall, bei dem ein Fußgänger lebensgefährlich verletzt wurde (wir berichteten), „haben die Barrieren ihren Sinn“. Ansonsten würde die Strecke zum Schnellfahren verleiten. Das könne sie täglich beobachten.

Die junge Mutter Yvonne Florschütz bekennt sich als passionierte Radlerin, derweil sie und ihre Mutter den Kinderwagen bergab schieben. „Über das inzwischen aufgehobene Fahrverbot haben mein Mann und ich uns sehr geärgert“, erzählt sie.

Die Fußgänger seien seitdem „ziemlich aggressiv gegenüber den Radlern“ geworden, meint sie. „Aber damit ist keinem geholfen.“ Die Schwellen seien eine „gute Lösung“ – zwingen zum Langsamfahren. Aber es gebe noch zu viel Platz, um an den Seiten durchzufahren. „Weniger Platz wäre sinnvoller.“

Von all den Maßnahmen hält ein Fußgänger herzlich wenig: „Das alles ist Quatsch“, schimpft der Technische Angestellte aus der Innenstadt, der wegen seiner Befürchtung, für seine Meinung am Arbeitsplatz geschnitten zu werden, lieber anonym bleiben will.

„Als Fußgänger ist man nun mehr gefährdet als vorher. Mein Vorschlag wäre ein konsequentes Fahrverbot für Radfahrer in der gesamten Fußgängerzone.“ Warum so radikal? „Es sind immer wieder auch in anderen Bereichen kleine Unfälle passiert, die gar nicht richtig bekannt werden.“ Und wie wär’s mit markierten Radwegen? „Nein, zwecklos. Radler halten sich nicht an Regeln. Das sehe ich immer wieder.“

Inzwischen hat der Verkehr auf dem Wilhelminenbuckel zugenommen. Ein junge Mutter fährt zügig mit ihrem Filius im Kindersitz auf dem Hinterrad über sämtliche Schwellen, die ihr im Weg sind. Der Junge im Hartschalensitz hüpft jedesmal beträchtlich in die Höhe – und juchzt vor Freude.

Aber wenigstens trägt er einen Kinderhelm. Ein Rad mit Kinderanhänger holpert jetzt die Strecke hoch. Das Kind im geschlossenen Cabrio poltert herum. Egal, alle vier Schwellen müssen gemeistert werden. Ist ja erlaubt und somit Privatsache. Jedenfalls seit Montag.

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