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06.05.2005

Quelle:Frankfurter Rundschau

"Verkehr beginnt im Kopf"

Die Planerin Gisela Stete macht sich Gedanken zu einem weiteren Umbau Darmstadts für ein verträglicheres Miteinander im Straßenverkehr

Gisela Stete kennt sich aus mit dem Umbau von Städten. Die Verkehrsplanerin ist seit Jahren kreuz und quer durch die Republik an weitreichenden Projekten für ein gesünderes Miteinander von Mensch und Verkehr beteiligt. Auch in Darmstadt, wo sie sogar ein wenig in die Zukunft blickt.

"Von der Verkehrsstruktur her bietet sich Darmstadt für Radfahren geradezu an." So ein Satz kommt bei Verkehrsplanern alter Schule einem Offenbarungseid nahe, treibt - meist christdemokratischen - Verfechtern "autogerechter" Städte die Zornesröte ins Gesicht. Aber nicht, wenn Gisela Stete den Satz sagt.

Die Verkehrsplanerin hat sich einen Namen in Darmstadt gemacht, der für Qualität und Querdenken bürgt. Das beweist sie für die kommunalen Akteure im Streit um ein "verträglicheres Miteinander" aller Verkehrsteilnehmer spätestens seit vier Jahren. Denn 2001 berief die Stadt erstmals das Forum zur Planung der Darmstädter Verkehrsentwicklung ein: eine Diskussionsrunde mit Vertretern der Bürgerinitiativen, ortsansässigen Wirtschaftsunternehmen, lokalen Verkehrsgesellschaften und hiesigen Politik. Arbeitsauftrag: der erste Verkehrsentwicklungsplan Darmstadts für die Zeit bis 2015, in dem im vorhandenen Verkehrsraum der Platz für Autos, Fahrräder und Fußgänger entwickelt und neu verteilt werden soll. Im Juli schließt das Forum seine Arbeit ab (die FR berichtete).

Vom ersten bis zum letzten Tag wird Gisela Stete dann dabei gewesen sein, fachliche Vorschläge gemacht, Sitzungen moderiert, analysiert und neue vorbereitet haben - und auch Wünsche von Beteiligten zu potenziell konkreten Planungsideen formuliert haben. Eine Fahrradfahrerstadt wird dabei aber nicht herauskommen, auch wenn 25 000 Studierende rein zahlenmäßig das hergeben würden.

Alternativen zum Auto

"Wir müssen thematisieren, dass es neben dem Autoverkehr Alternativen gibt", postuliert Stete ihr Berufsverständnis. Das heißt für sie nicht, den Autoverkehr aus der Stadt zu verbannen, auch wenn weniger mehr bedeutet, besonders angesichts der jetzt ihre Wirkung verbreitenden EU-Norm zur Luftreinhaltung. Stete weiß auch, dass Stadtumbauten nicht automatisch ein Mehr an Autos bedeuten. Sie erinnert beispielsweise an einen Zuwachs an Siedlungen im badischen Freiburg über zehn Jahre hinweg. "Das wurde komplett aufgefangen durch Angebote im Öffentlichen Nahverkehr und fürs Radfahren. Der motorisierte Individualverkehr blieb dabei gleich."

Es geht also. Mit allen und für alle. Aus ihrer Erfahrung verdankt sich so etwas meist "kleinen begleitenden Geschichten, die aber viel bewirken können in den Köpfen". Seien es nun in Darmstadt störende Masten und Poller mitten auf Fahrradbahnen, was ohne größeren Aufwand eleganter gestaltet werden könnte. Im Advent bieten landauf, landab Nahverkehrsgesellschaften in Innenstädten Gepäckaufbewahrung an. "In Freiburg gibt es das jede Woche." Für Stete ist es vor allem wichtig, dass solche "kleinen Geschichten" einfach "richtig kommuniziert" werden, also attraktiv verpackt und beworben werden sollten, damit Verkehrsteilnehmer umdenken.

Wichtige Partner für solche Entwicklungen sind auch Wirtschaftsunternehmen. Als Vorbild nennt sie in Darmstadt den Pharma-Konzern Merck, der neben dem Jobticket auch Carsharing organisiere und für Radler genügend Abstellmöglichkeiten und auch eine Dusche anbiete. Wenn "alle sich beteiligen und vernetzen", die Nahverkehrsgesellschaften entsprechende Angebote machen, das Wegenetz der Stadt Alternativen zum Auto bietet, dann kann Verkehr auch ganz anders laufen.

Gemeinsame Lieferdienste von Innenstadtgeschäften würden Verkehr reduzieren. Eine Fahrbahn des City-Rings dem Autoverkehr zu entziehen, sollte mehr Radfahrer unter Einkäufern anlocken. Käme die Nordost-Umgehung, könnte der Rhönring eine "ruhige Wohnstraße" werden, die er ja original mal war. Wollte man überflüssige Verkehrskonzentrationen in der 2,5 Kilometer ummessenden Kernstadt vermeiden, könnte man die Nahversorgungszentren in Stadtteilen besser ans ÖPNV-Netz anbinden, dort mehr Abstellmöglichkeiten für Räder schaffen und die Aufenthaltsqualität für Fußgänger erhöhen. Ideen kann die Planerin genug entwickeln. Entscheidungsträger und Verkehrsteilnehmer müssen aber auch selbst mit- und umdenken, denn nach Stete gilt: "Verkehr beginnt im Kopf."

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