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27.08.2004

Quelle:Frankfurter Rundschau

Neue Züge, mehr Sicherheit in der S-Bahn

Eine ganze Reihe von Artikeln in der heutigen Rundschau beschäftigen sich mit dem S-Bahn-Verkehr im Rhein-Main-Gebiet, welche hier gesammelt abgelegt wurden.

Neue Züge, mehr Sicherheit in der S-Bahn
RMV-Geschäftsführer Volker Sparmann will die Flotte schneller ausbauen und abends jeden Zug begleiten lassen
Der RMV wird die S-Bahn-Flotte schneller modernisieren als geplant. Noch in diesem Jahr werden 20 weitere Triebwagen angeschafft. Ausbauen will der Verbund den Sicherheitsdienst in den Zügen und neue Angebote für Nachtschwärmer schaffen.
VON JUTTA RIPPEGATHER UND WOLFGANG SCHUBERT

Frankfurt · 25. August · Im Interview mit der FR hat Volker Sparmann, Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes "erhebliche Mängel im S-Bahnsystem" eingeräumt. Die von den Fahrgästen zu Recht beklagten Verspätungen seien eine Folge versäumter Investitionen der Bahn in das Schienennetz, von veralteter Signal- und Sicherheitstechnik und des nicht mehr zeitgemäßen Fahrzeugparks.

Es habe sich gezeigt, dass mit den bisher von der Deutschen Bahn angeschafften 40 S-Bahnzügen vom Typ ET 423, mit Klimaanlage und durchgehendem Gang, auf Störungen flexibler reagiert werden kann. Die neuen Züge beschleunigten besser und seien mit 140 km/h 40 Stundenkilometer schneller in der Spitze: "Damit lässt sich eine Verspätung schneller aufholen."

Deshalb sei es "enorm wichtig", dass neue Triebwagen viel schneller als vorgesehen kommen. Ursprünglich sollte die Zahl der neuen S-Bahnen erst im Jahr 2007 (von 40 auf 100) aufgestockt werden. Nach den am Dienstag dieser Woche mit der Bahn abgeschlossenen Verhandlungen soll die Anahl der neuen Bahnen bis November auf 60, im Jahr 2005 auf 75 und schon 2006 auf 100 neue Bahnen wachsen. Sparmann kündigte weiter an, das Sicherheitspersonal in den S-Bahnzügen zu verstärken, weil "Angst kein guter Begleiter ist". Im Winter soll mit Beginn der Dunkelheit jeder Zug von einem Mitarbeiter der Bahn-Sicherheitstochter BSG begleitet werden. Nach dem derzeitigen Konzept steigt erst ab 21 Uhr in jeden Zug ein BSG-Mitarbeiter ein. Die Sicherheit lässt sich der RMV im Jahr vier Millionen Euro kosten. Das Geld sei "gut investiert", sagte Sparmann, da mit Einführung des Konzeptes die Zahl der Reisenden zwischen 20 Uhr und Betriebsschluss um 15 Prozent gestiegen ist.

Auch bei der Sauberkeit soll der RMV besser werden. "Wir zahlen derzeit 500 000 Euro für Zusatzleistungen. Ich kann mir vorstellen, dass wir da noch was drauflegen". Ziel sei, dass jeder Zug zweimal pro Tag, einmal vormittags und einmal nachmittags, gereinigt wird.

Keine Chance sieht der RMV-Geschäftsführer für niedrigere Fahrpreise, die in der S-Bahn-Serie der "FR-SommerTour" viele Kunden gefordert hatten. "Für Preissenkungen gibt es keinen Spielraum", sagte Sparmann. Angebote wie das Schülerticket für 20,60 Euro oder die Senioren-Netzkarte "Aktiv über 60" für 42,95 Euro im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr seien im RMV nicht machbar. "Wir werden nicht so stark subventioniert." Bei Einführung vergleichbarer Tickets würden Einnahmeverluste in Höhe von etwa 60 Millionen Euro entstehen. Der Verbund Rhein-Ruhr erziele pro Kunde und Fahrt einen Ertrag von rund 60 Cent, der RMV komme auf 90 Cent pro Ticket.

Der RMV, "eine Erfolgsgeschichte"

Wenn die Frankfurter CDU für die Einführung des 9-Uhr-Tickets einen Preis von deutlich unter 50 Euro fordere, müsse sie für höhere Subventionen sorgen. Mit der Stimme der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth als Aufsichtsratsvorsitzender des RMV habe das Gremium für die Tarifzone drei - in der Frankfurt liegt - eine Rabattierung von 15 Prozent auf den Normalpreis (derzeit 62,30 Euro) beschlossen.

Wenn Frankfurt das 9-Uhr-Ticket zum Beispiel für 48 Euro anbieten möchte, müsse die Stadt "halt 50 Millionen Euro an Subvention übernehmen". Laut Sparmann hat der Verbund in den fünf Jahren seines Bestehens sein Angebot von 29 Millionen Zugkilometern im Jahr auf jetzt 38 Millionen gesteigert und den Kostendeckungsgrad gleichzeitig von 43 auf 54 Prozent erhöht. Dies sei eine "wahre Erfolgsgeschichte".




RMV will mehr Platz in den S-Bahnen schaffen
Geschäftsführer Sparmann: Verbund wird zusätzliche Langzüge einsetzen / Tausende neue Kunden durch Anbindung von Darmstadt und Rodgau

Frankfurter Rundschau: Herr Sparmann, wann sind Sie das letzte Mal S-Bahn gefahren?

Volker Sparmann: Gestern. Auf dem Weg nach Darmstadt.

Sind Sie pünktlich gewesen?

Natürlich waren wir pünktlich.

Da hatten Sie das Glück, das viele Leute nicht haben.

S-Bahn-Fahren soll kein Lotteriespiel sein. Deshalb arbeiten wir daran.

Wann kann sich der Fahrgast darauf verlassen, dass die S-Bahnen täglich pünktlich sind?

Wenn es uns gelingt, gemeinsam mit der Deutschen Bahn die Mängel, die sich in der Regel auf die Mischstrecken beziehen - insbesondere auf dem Korridor Wiesbaden/Mainz nach Frankfurt - zu beseitigen. Durch den Einsatz neuer Fahrzeuge kriegen wir eine höhere Flexibilität. Sie kommen schneller in die Stationen rein und aus ihnen raus. Und sie können unterwegs eine höhere Geschwindigkeit fahren.

Wann kommen die neuen Fahrzeuge?

Dieser Tage ist es uns durch harte Verhandlungen gelungen, mit Hilfe der DB Regio schneller als ursprünglich vereinbart neue Fahrzeuge zu erhalten. In diesem Jahr wollen wir statt der geplanten Anzahl von 40 neuen Fahrzeugen bereits 60 neue haben, bei einem Gesamtbestand von 165. Nächstes Jahr werden es 80 Züge sein, die dank ihrer hohen Flexibilität Unregelmäßigkeiten im Fahrplan ausgleichen können.

Die Frankfurter Rundschau hat in den vergangenen sechs Wochen in einer Serie die S-Bahn-Linien vorgestellt und Fahrgäste interviewt. Es gab Lob, aber auch Kritik. Erstaunlicherweise wünschen viele kürzere Taktzeiten. Können Sie das nachvollziehen?

Wenn wir öfter fahren, wird das System viel teurer. Wir haben stattdessen vor, mehr Platzkapazitäten anzubieten. Wo es Engpässe gibt, werden wir Langzüge einsetzen, also eine zusätzliche Zugeinheit anhängen. Das geht mit den neuen Fahrzeugen preiswerter als mit den alten, weil wir kein zusätzliches Personal benötigen. Kürzere Taktzeiten sind wegen der Infrastruktur problematisch. Da sind wir sehr eng.

Von längeren Zügen haben die Schüler, die schneller nach Hause wollen, nichts.

Aber unter den jetzigen Rahmenbedingungen sind nur vereinzelt Taktänderungen möglich.

In Berlin fahren die wichtigsten S-Bahn-Linien den ganzen Tag im Zehn-Minuten-Takt. Warum geht das dort?

Interview
Volker Sparmann (60) arbeitet seit zwölf Jahren als Geschäftsführer beim Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV). Er hat in Darmstadt Bauingenieurwesen studiert und ist unter anderem Vize-Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen. jur
Weil auf den Fahrwegen in Berlin allein S-Bahn-Fahrzeuge verkehren. Der Frankfurter Hauptbahnhof hingegen ist mit seinem Umfeld der verkehrlich bedeutendste Bahnhof Europas. Wir haben in unserem Netz alle Probleme: die Kombination von Fern- und Nahverkehr, die Probleme von kreuzenden Knoten mit dem Hauptengpass Sportfeld. Berlin hat außerdem einen Ring um das Zentrum. Mit einer Regionaltangente West, die wir vielleicht mit einer Regionaltangente Ost kombinieren, könnten wir einen ganz anderen Verkehr flexibel und variabel gestalten.

Kommen wir zum Kritikpunkt Fahrpreise. Warum ist der RMV so teuer?

Bei einem sehr hohen Kosten-Deckungsgrad, wie der RMV ihn hat, hat man auch hohe Preise. Wir stehen dazu, weil der nicht gedeckte Aufwand mit Steuergeld bezahlt werden muss. Wir wollen unser Geld nicht ins operative Geschäft investieren, sondern damit das System stabiler und besser machen. Dazu gehört der vierspurige Ausbau von Frankfurt-West nach Bad Vilbel oder die nordmainische S-Bahn. Eine Verbesserung des Angebots wird gut angenommen. Mit der Anbindung von Darmstadt oder dem Rodgau haben wir pro Strecke täglich 7000 bis 8000 neue Kunden gewonnen.

Mit den entsprechenden Tarifen könnten es vielleicht noch mehr sein.

Deshalb werden wir zum Fahrplanwechsel im Dezember die 9-Uhr-Zeitkarte einführen, eine stark rabattierte Monats- oder Jahreskarte, die außerhalb der Spitzenzeiten gilt. Wir haben hier vor allem die Hausmänner und -frauen im Auge sowie die mobilen Alten. Auch für Nachtschwärmer bietet sich das Ticket an.

Die müssen schon um kurz nach Mitternacht heim, weil dann die letzte S-Bahn fährt. Der VCD fordert einen "Nachtstern Schiene Rhein-Main" Was halten Sie von der Idee, S-Bahnen an Wochenenden die ganze Nacht über verkehren zu lassen?

Ich plädiere für kombinierte und flexible Betriebsweisen. Man könnte Verkehr sammeln und mit Taxi, Anrufsammeltaxi, Mietwagen oder Carsharing in die Ziele zu verteilen. Wenn die Nachfrage da ist, werden wir ein Angebot schaffen.

Wie wollen Sie Erkenntnisse über die Nachfrage gewinnen?

Wir haben schon Erfahrungen. Zum Beispiel mit Sound of Frankfurt oder dem Idsteiner Jazzfestival. Künftig werden wir flexibler mit den Veranstaltungen umgehen. Das kann man auch mit Sponsoring verbinden.

Das sind Sonderveranstaltungen. Was ist mit den 18-Jährigen aus der Wetterau, die nach Darmstadt in die Disco wollen?

Man sollte sich zunächst auf große Veranstaltungen beschränken. Man muss da Erfahrungen sammeln.

Wann testen Sie das?

Jetzt bringen wir erstmal das 9-Uhr-Ticket auf den Markt. Das ist ja auch attraktiv für Fahrgäste, die eher abends und noch später unterwegs sind. Aber zusätzliche Zugfahrten in der Nacht anbieten..., das hängt stark von der Finanzlage ab. Vielleicht kann man ja in den Nächten auf Samstag und Sonntag damit beginnen.

Viele Fahrgäste haben auch den Wunsch nach mehr Sicherheitspersonal geäußert.

Die Kosten für das Sicherheitssystem werden durch steigende Fahrgastzahlen in den Abendzeiten, insbesondere Frauen, gedeckt. Deshalb wollen wir bei Sicherheit, Sauberkeit, Service noch zulegen.

Interview: Jutta Rippegather und Wolfgang Schubert.




KOMMENTAR
Auf dem Weg
VON JUTTA RIPPEGATHER

Die S-Bahn ist das Herzstück des öffentlichen Personennahverkehrs im Rhein-Main-Gebiet. Hunderttausende fahren damit täglich zur Arbeit, in die Schule, an die Uni, zu Freunden oder zum Einkaufen. Dafür zahlen diese Menschen nicht wenig Geld - wofür sie auch etwas verlangen können. Deshalb ist es richtig, dass der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) ihren Wünschen entgegenkommt.

Mit der zügigen Erneuerung des Fahrzeugparks ist der Verbund auf dem richtigen Weg. Die modernen Züge erhöhen die Pünktlichkeit, bieten dank des durchgehenden Gangs mehr Sicherheit, ein hübscheres Ambiente und mehr Komfort. Hier befindet sich der Fahrgast im 21. Jahrhundert und nicht im Museum, wie in den alten Fahrzeugen.

Auf die Höhe der Zeit muss der Verband nun die Verkehrszeiten bringen. Da gibt es noch Nachbesserungsbedarf. Der Einführung des Halbstundentakts am Wochenende müssen Angebote in den späteren Abendstunden folgen, die der Lebensrealität der Menschen im Rhein-Main-Gebiet Rechnung tragen. Es kann nicht angehen, dass der Theaterbesucher nach der Vorstellung in Eile sein Bier herunterstürzen muss, weil er sonst die letzte S-Bahn verpasst. Ändert sich daran nichts, wird dieser Mensch das nächste Mal das Auto nehmen - und der RMV hat einen Kunden weniger.

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