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30.04.2006

Quelle:AStA der Uni Mainz

Das SemesterTicket

Ein deutschlandweites Erfolgskonzept. Vera Jung gibt als AStA-Referentin für Ökologie und Verkehr einen bundesweiten Überblick im Vergleich zu Mainz.

Den ersten Studierenden, die 1991 in Darmstadt in den Bus stiegen und ihren Studentenausweis als Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr nutzten, war sicher nicht klar, was aus dieser Idee einmal werden würde. Heute ist das SemesterTicket oder auch kurz StudiTicket aus dem Universitätsalltag nicht mehr wegzudenken.
Schon 1992 folgte die Universität Trier dem Beispiel aus Darmstadt und bot auch ein SemesterTicket an. Gleiche Idee, aber vollkommen andere Ausführung. Das Darmstädter Modell, wie es heute auch oft bezeichnet wird, sieht eine solidarische Finanzierung des SemesterTickets vor. Das heißt, dass alle einen vergleichsweise kleinen Beitrag leisten, so dass alle Studierenden jederzeit im gesamten Ticketgebiet fahren können.

Im Gegensatz dazu steht die Trierer Variante. So musste auch hier von allen solidarisch ein gewisser Beitrag, der so genannten Sockelbeitrag, gezahlt werden. Wer allerdings im Bus nicht als SchwarzfahrerIn erwischt werden wollte, musste zusätzlich eine Klebemarke lösen.

Klebemarken in Trier stehen am Anfang der Entwicklung

Da natürlich die Nutzung der Klebemarken-Variante immer noch deutlich günstiger als eine Monatskarte war, versuchten die Trierer Verkehrsbetriebe die gesunkenen Einnahmen durch einen Preisanstieg bei den Klebemarken auszugleichen. Dies führte innerhalb von drei Jahren zum dreifachen Preis. Aus diesem Grund wurde auch bald in Trier auf das Darmstädter Modell (Solidarmodell) umgestellt. Trotz allem ist die Trierer Variante der Finanzierung des SemesterTickets nicht ganz von der Bildfläche verschwunden.

Vor allem an den Hochschulen im Südwesten Deutschlands wird eine Abwandlung des Trierer Modells eingesetzt. Wer bei der Frage nach dem SemesterTicket an einer dieser Hochschulen dem Wort Sockelmodell begegnet, darf sich darunter einen niedrigen allgemeinen Beitrag zum SemesterTicket vorstellen. Dieser Beitrag beinhaltet allerdings nur sehr eingeschränkte bis keine Nutzungsmöglichkeiten. So können die Studierenden für die gezahlten 14,80 Euro in Karlsruhe zwischen 19 Uhr und 3 Uhr mit ihrem Studiausweis im KVV (Karlsruher Verkehrsverbund) die Busse nutzen. Weniger Möglichkeiten haben die ZahlerInnen des Beitrags von 19 Euro in Freiburg. Der Preis für Fahrten in den Nachtbussen der VAG (Freiburger Verkehrs AG) reduziert sich auf 2 Euro. Keinerlei Nutzen haben die Studierenden in Mannheim von den allgemein erhobenen 15 Euro. Sie erwerben so lediglich die Berechtigung, für weitere 89 Euro ein SemesterTicket zu kaufen.

WS 1994/1995: Start für den Nahverkehr auch in Mainz

Als zum Wintersemester 1994/1995 auch in Mainz ein SemesterTicket eingeführt wurde, fiel die Entscheidung zu Gunsten des Solidarmodells. Mit dieser Entscheidung befinden wir uns in guter Gesellschaft. Nicht nur in Lübeck oder Bamberg, Potsdam, Berlin, Köln, Düsseldorf oder Koblenz erhalten die Studierenden automatisch mit der Einschreibung ein Ticket für Bus und Bahn.

Aber auch wenn es so klingt, als ob die Unterschiede sich lediglich auf die geographische Lage beschränken, so gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Tickets. So reicht das erst zum Wintersemester 2004 / 2005 an der Uni in Bamberg eingeführte Ticket für 23 Euro gerade einmal bis an die Grenzen des Landkreises. Die Studierenden der Uni Potsdam, die seit 2002 ein SemesterTicket haben, können sich für 119 Euro durch das ganze Bundesland Brandenburg bewegen. Können die Bamberger nur das Nahverkehrsnetz im Landkreis nutzen, so können die BrandenburgerInnen auch Bahnen im Fernverkehr nutzen, sofern es keine andere Möglichkeit gibt. Auch die Art der Verwaltung des Tickets zeigt deutliche Unterschiede auf. Während die Beiträge der ca. 8500 Studis der Uni Bamberg vom Studierendenwerk an die Verkehrsunternehmen weiter gegeben werden, verwaltet die Studierendenschaft in Potsdam die gezahlten Gelder bis zur Zahlung der Rechnung für die rund 17000 Studis selber.

Andauernde Probleme in Berlin

Deutlich schlechter ist die Situation derjenigen, die an den Hochschulen in Berlin, bekanntlich nur einen Katzensprung von Potsdam entfernt, eingeschrieben sind. Auch hier wurde zum Sommersemester 2002 ein SemesterTicket eingeführt, ein Projekt, das zu diesem Zeitpunkt schon fast zehn Jahre verfolgt wurde.
In diesen Jahren musste viel Kraft drauf verwendet werden, Senatsverwaltung, PolitikerInnen und nicht zuletzt auch die Verkehrsbetriebe davon zu überzeugen, wie wichtig ein solches Ticket ist und um wie viel wichtiger es ist, dass dieses auch in einem sozial verträglichen Preisrahmen bleibt. Aber die Freude über ein annehmbares SemesterTicket für Berlin währte nicht lange. Schon 2004 teilten die Verkehrsunternehmen mit, dass der Preis von 109 Euro nicht mehr zu halten sei.

Stattdessen wurde ein Preis von 141 Euro für Sommersemester 2005 favorisiert. Eine auf Druck des VBB (Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg) durchgeführte Urabstimmung führte dazu, dass es im Sommersemester 2005 kein SemesterTicket mehr gab. Da dies aber von Seiten der Studierenden zu Unmutsbekundungen gegenüber den Verantwortlichen führte, fiel nach und nach an immer mehr Hochschulen der Entschluss, das „Angebot“ für 141 Euro doch anzunehmen.

Wer jetzt denkt, 141 Euro für ganz Brandenburg und natürlich Berlin ist doch kein Preis, dem sei gesagt, dass im Gegensatz zu Potsdam lediglich die Nutzung der Verkehrsmittel im Stadtzentrum (sog. ABC-Zonen) durch das Semesterticket abgedeckt ist. Wer in den Randbezirken Berlins wohnt, kann für zusätzliche 109 Euro ein Ticket für den direkten Weg zwischen Wohnung und Stadtzentrum zukaufen.

Dies sind Hochschulen mit zum Teil deutlich anderen Standortbedingungen als in Mainz. So gibt es in Bamberg keine gesetzlich verankerte Verfasste Studierendenschaft, die sich ganz offen für die Ausweitung des SemesterTicketgebietes stark machen könnte. Berlin als Millionenstadt hat ein anderes Infrastruktursystem. Im Gegensatz zu Potsdam liegt Mainz an der Grenze zwischen zwei Verkehrsverbünden und somit zwischen zwei Einzugsgebieten, die durch ein Ticket abgedeckt werden sollten.

Freie Fahrt an Rhein und Ruhr - mit guten Angeboten

Ähnlich wie das Rhein-Main-Gebiet ist auch das Ruhr-Gebiet ein Ballungsraum, in dem viele Hochschulen auf engem Raum vorzufinden sind. Alle SemesterTickets, die es in diesem Gebiet gibt, sind sehr ähnlich aufgebaut. So erlauben die 79,50 Euro, die in Köln für das Ticket gezahlt werden müssen, alle Fahrten innerhalb des VRS (Verkehrsverbund Rhein-Sieg). Außerdem können die Studierenden mit Wohnort in den Übergangsgebieten zum VRR (Verkehrsverbund Rhein-Ruhr) und im Gebiet bis zum Ahrtal den direkten Weg zwischen Wohnort und Hochschule zurücklegen, ohne mehr Geld dafür zahlen zu müssen. In Düsseldorf verhält es sich genauso.
Wer denkt, dass es im westlichen Gebiet des Landes wenig Probleme und eine gute Zusammenarbeit gibt, der wird durch das Beispiel von Koblenz eines Besseren belehrt. Die Studierenden in Koblenz können sich für ihre 24,50 Euro, genauso wie wir Mainzer seit dem Wintersemester 1994/1995, lediglich im Stadtgebiet Koblenz bewegen. Wer darüber hinaus fahren will, muss die normalen Preise zahlen. Schon seit vielen Jahren ist der größte Wunsch, endlich ein etwas größeres Gebiet mit Bus und Bahn erreichen zu können.

Doch der VRM (Verkehrsverbund Rhein-Mosel), also der umgebende Verkehrsverbund, möchte ca. 200 Euro pro Studierendem und Semester im Solidarmodell. Die Ablehnung dieses „Angebots“ war die vollkommen verständliche Reaktion des Studierendenwerks, welches in Koblenz, wie auch an allen anderen rheinland-pfälzischen Hochschulen außer in Mainz für die Verwaltung des Tickets zuständig ist.
Das Ticket hat auch GegnerInnen - und landete vor Gericht

Es sind immer wieder innerhalb der Studierendenschaften Gegenstimmen gegen solidarische Ticketmodelle zu hören. Diese wurden nicht nur leise innerhalb der Hörsäle geäußert. Schon früh gab es Klagen. Versuchten Studierende anfangs durchzusetzen, dass eine Erhöhung des Zwangsbeitrages der Studierendenschaft nicht rechtmäßig wäre, wurde später argumentiert, dass Äußerungen zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des SemesterTickets nicht dem hochschulpolitischen Mandat entspräche.

Aber immer ging das SemesterTicket nur weiter gestärkt aus dem Gerichtssaal. Die Klagen wurden alle abgewiesen, da „sich für eine verbilligte Nutzung des Nahverkehrs durch die Studierenden zu bemühen, […] unabhängig von der Art und Weise der Finanzierung zu den einer Studierendenschaft legitimerweise übertragbaren Aufgaben“ gehöre (BVerwG 6 C 10.98). Wenn dabei auf verkehrspolitischen oder ökologischen Nutzen hingewiesen werde, sei dies vollkommen zulässig.

Rechtlich sind die studentischen Tickets gut abgesichert

Auch die Erhebung von Zwangsbeiträgen widerspreche nicht den Gesetzen (BVerwG 6 C 14.98). Ein im Sommersemester 2005 im Auftrag des AStA der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main erstelltes Rechtsgutachten zum SemesterTicket sieht folgende Punkte als wichtig an. Wohl ist die Beitragserhebung für SemesterTickets ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit von Studierenden, aber gerechtfertigt durch die verfolgten Gemeinwohlbelange.

Da die Fahrtkosten zur Hochschule einen großen Teil der Studienkosten ausmachen, ist das Anliegen, diese zu verbilligen, auf Grund der finanziellen Bedürftigkeit der Studierenden verfassungsrechtlich unbedenklich. Dabei muss allerdings aber beachtet werden, dass die Nutzung des ÖPNV hochgradig verbilligt wird. Wichtig ist aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Studierenden. Es wird der zustehende Bedarfssatz nach dem BAFöG zu Grunde gelegt.

Aber auch der sekundäre Nutzen wird dabei berücksichtigt. So sollten auch immer die Entspannung der Parkplatzsituation und die Verbesserung der Umweltbedingungen berücksichtigt werden. So kommt das Rechtsgutachten zum Schluss, dass Kosten von umgerechnet 20 bis 25 Euro monatlich auch für Studierende, die das Ticket gar nicht nutzen, tragbar sind. Die genannten finanziellen Aspekte sind wichtig. Genauso wichtig ist es aber auch, dass sich das Ticket in der Studierendenschaft einer großen Beliebtheit erfreut. Dies kann in Mainz z.B. an den Nutzungszahlen, die durch die MVG (Mainzer Verkehrs Gesellschaft) erhoben werden, gezeigt werden. Die Nutzerquote stieg in den letzten 5 Jahren von 25 % auf 33 %. Ebenso sollte das Äquivalenzprinzip berücksichtigt werden. Demnach darf der Ticketpreis nicht in einem Missverhältnis zu den Vorteilen stehen. Dies bedeutet, dass z.B. beim Sockelmodell auch ohne den Zukauf des eigentlichen Tickets ein Nutzungsmöglichkeit geboten werden sollte. Es bedeutet aber nicht, dass alle es nutzen müssen. Es sollten nur alle nutzen können.

Mainzer Ticket steht im bundesweiten Vergleich hervorragend da

Rückblickend auf die oben geschilderten Punkte kann ich als zuständige Referentin zu dem Schluss kommen, dass unser Ticket gar nicht so schlecht ist. Ein monatlicher Betrag von rund 17 Euro ermöglicht es uns zu jeder Tages- und auch fast jeder Nachtzeit durch ganz Mainz und Wiesbaden, sogar durch ganz Südhessen und auch durch einen Teil von Rheinland-Pfalz zu fahren. Was 1994 mit einem Ticket anfing, dass den Studierenden ermöglichte, sich kostenlos im Stadtgebiet zu bewegen, wurde erst durch den Zukauf des RMV-Gebiets (Rhein-Main-Verkehrsverbund) und später durch die Erweiterung um das RNN-Gebiet (Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund) zu einem der flächenmäßig größten Ticketgebiete.

Auch das Bestreben, das Ticket zum Wintersemester 2006/2007 um die Bahnstrecke Bacharach-Koblenz zu erweitern, macht es nicht uninteressanter. Aber auch die Möglichkeit, ein Anschlussticket für den VRN (Verkehrsverbund Rhein-Neckar) und/oder den WVV (Westpfalz-Verbund) zu kaufen, macht deutlich, dass die gegenwärtigen Kosten in Höhe von 100 Euro als SemesterTicketanteil des Solibeitrags gut angelegt sind.
Wer nun glaubt, dass das Leben als Verkehrsreferentin langweilig ist, da viel erreicht wurde und wohl nicht mehr viel zu machen ist, dem sei gesagt, dass es immer viel zu tun gibt. Ob es Verhandlungen mit den altbekannten Verbünden sind, da die Preise mal wieder angehoben werden sollen, oder ob es um die Optimierung in Form von wichtigen Strecken oder schnelleren Verkehrsmittel geht. (vgl. Unipress 340)

Denn „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“
(Albert Einstein)

Strecke Bacharach-Koblenz

Die im StuPa am 18.01.2006 beschlossene Erweiterung um die Bahnstrecke Bacharach – Koblenz, tritt, bei Zustimmung durch die Fachhochschulen, zum Wintersemester 2006/2007 in Kraft. Leider konnte seit der Unipress-Ausgabe 340 noch nichts neues beschlossen werden, da die Zuständigen an den Fachhochschulen sich derzeit in der Klausurenphase befinden.

Neues Format des Tickets

Die Semesterunterlagen, die vor bzw. zu Beginn des Sommersemesters verschickt werden, haben aus verwaltungstechnischen Gründen ein neues Aussehen. Bei der Änderung des Leporellos wurde auf vielfachen Wunsch aus der Studierendenschaft heraus auch das Format geändert. Der Studierendenausweis bzw. das SemesterTicket wird in Zukunft in praktischer Scheckkartengröße vorliegen.

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