Zurück | 15.09.2005 | Quelle:Frankfurter Rundschau |
Die Stadt setzt wieder auf die TramSelbst die CDU hat Frieden mit der Straßenbahn geschlossen / Zahlreiche neue Projekte im GesamtverkehrsplanMitte der 80er Jahre sollte sie ganz aus dem Stadtbild verschwinden. Jetzt gehört der Straßenbahn in Frankfurt wieder die Zukunft. Dafür soll es nach dem Jahre 2015 keinen U-Bahn-Bau mehr geben. Vorzeigeprojekt RinglinieAls Vorzeigeprojekt von allen Parteien akzeptiert ist die von den Gutachtern vorgeschlagene Ring-Straßenbahnlinie, die tangential um die Kernstadt angelegt die Stadtteilverbindungen stärken soll. Die Strecke würde - zumeist auf bestehenden Gleisen - vom Stadtrand Neu-Isenburgs über Hauptbahnhof, Schloßstraße, Ginnheimer Landstraße, Wilhelm-Epstein-Straße, Marbachweg, Friedberger Landstraße und ab Rohrbachstraße auf dem heutigen Verlauf der Linie 12 bis nach Fechenheim führen. Sie hat, wie selbst der CDU-Stadtverordnete Helmut Heuser sagt, "einen gewissen Charme". Dabei sollte die Straßenbahn Mitte der 80er Jahre aus dem Stadtbild verschwinden. So wollte es der Frankfurter Verkehrs- und Tarifverbund, und so wollte es auch die in Frankfurt regierende CDU mit ihrem Oberbürgermeister Wolfram Brück. Das Konzept hieß "Schienenfreie Innenstadt". 19 Jahre später sagt der verkehrspolitischer Sprecher der Römer-CDU, Helmut Heuser: "Das Projekt verfolgen wir nicht mehr. Wir haben unseren Frieden mit der Straßenbahn geschlossen." Die U-Bahn sei "ein hervorragendes Verkehrsmittel für Pendler. Für Frankfurter Bürger hat die Straßenbahn hohe Erschließungsqualität." Heuser kennt die Vorzüge der Tram: Relativ kurze Haltestellenabstände, keine aufwendigen Wege in den Untergrund und "mehr subjektive Sicherheit". Die Erkenntnis verdankt der Christdemokrat der eigenen Klientel: "Die fahren doch auch Straßenbahn." Als am Dienstag im Ausschuss Topp erklärte, der U-Bahn-Bau müsse "qualifiziert" zu Ende gebracht, die Weichen müssten Richtung Straßenbahn gestellt werden, zuckte Heuser mit keiner Wimper. Ab 2015 soll es keinen U-Bahn-Bau mehr geben, bekräftigte Topps Mitarbeiter Matthias Müller tags darauf. Doch Heuser sieht keinen Grund zur Aufregung. Die im Stadtparlament beschlossenen Projekte wie der oberirdische Stadtbahnbau zum Riedberg und die Verlängerung der U 4 nach Ginnheim (D-Linie) sowie der U 5 ins künftige Europaviertel an der Messe seien davon unberührt. Der Grüne Lutz Sikorski spricht von "einem überzeugenden ÖPNV-Konzept". Die Straßenbahn sei längst "anerkanntes Verkehrsmittel für alle Altersgruppen, für Frauen mit Kinderwagen ebenso wie für den gehbehinderten älteren Mann". Klaus Oesterling, Chef der SPD-Fraktion, erkennt "eine neue Qualität der ÖPNV-Planungen". Das bedeutet für ihn mitnichten, den Stab über die U-Bahn zu brechen. "Wir brauchen die D-Linie und stehen auch hinter dem Tunnel zum Europaviertel", beteuert er. Aber die Zukunft gehöre der Tram. CDU-Mann Heuser will sich von der U-Bahn aber nicht "auf ewig und immer verabschieden". Er hält es deshalb für richtig, dass selbst die GVP-Gutachter Ausbau-Optionen für spätere Generationen offen halten: "Es geht darum, wenigstens die Trasse frei zu halten." Wolfgang Schubert Siehe Kommentar kommentarEinsichtigVon Wolfgang SchubertEs ist die Wende von der Wende. Eine, die sich allerdings schon seit geraumer Zeit abgezeichnet hat. Die Frankfurter Christdemokraten hatten längst ihren Widerstand gegen die Streckenführung der Linie 12 durch die Altstadt aufgegeben. Für Trambahn-Gleise in der Stresemannallee hatte die Union früh Zustimmung signalisiert und auch die Erschließung des Neubaugebiets Frankfurter Bogen mit einer Straßenbahn abgenickt. Schließlich ist auch die Klientel der Christdemokraten in die Jahre gekommen. Die Menschen, die die Union mit ihrem Konzept der schienenfreien Innenstadt Mitte der 80er Jahre in die U-Bahn und damit in den Untergrund zwingen wollte, steigen 20 Jahre später lieber ebenerdig in die Tram ein. Das ist bequemer und vermeintlich sicherer. Oben gibt es eine soziale Kontrolle, unten trotz aller Beleuchtungs-Tricks immer noch dunkle Ecken und vor allem ein mulmiges Gefühl. Nichts gegen die U 6 und U 7, denen 1986 nach dem Willen der damaligen CDU-Stadtregierung die Schienen in der Altstadt komplett geopfert werden sollten. Falsch war die Radikalität des Konzepts. Auch noch den letzten Meter Straßenbahn zu eliminieren und die Menschen in den Tunnel zu schicken, damit oben mehr Platz für das Auto entsteht, konnte nicht gut gehen. Das haben viele Kritiker vorausgesagt. Zu einer Zeit, als in anderen deutschen und europäischen Städten die Tram allmählich wieder gesellschaftsfähig wurde. Die Union hörte damals nicht zu - oder sie wollte es nicht. Schwamm drüber. Die Christdemokraten haben dazu gelernt. Das war bei Tempo 30 so, beim Anwohnerparken oder in der Fahrradpolitik. Es hat schon immer etwas länger gedauert, die Union zu überzeugen. Es ist schließlich nie zu spät, Einsicht zu zeigen. Kurz-URL: |