Zurück

12.03.2005

IVDA Presseerklärung:

Mit dem Ladenzentrum wachsen die Sorgen

Pläne für 200 Geschäfte auf der grünen Wiese inWeiterstadt stoßen in Darmstadt auf Widerstand

VON C. VATERNAHM (WEITERSTADT)
„Dieses Areal schreit danach, so ausgebaut zu werden“, sagt Armin Knaus. Er ist einer der beiden Geschäftsführer der Starkenburger Grundstücksgesellschaft (STG) in Gernsheim, die in Weiterstadt auf einem Areal von rund 50000 Quadratmetern ein Einkaufszentrum errichten lassen will. „Das wird ein Highlight werden“, schwärmt Knaus.
Geplant ist ein Zentrum ähnlich dem des Main-Taunus-Zentrums in Sulzbach (Main-Taunus-Kreis). Rund 200 Ladengeschäfte sollen sich auf dem Areal direkt neben derAutobahn aneinander reihen, Anbieter aus „diversen Branchen“, wie Knaus sagt, sollen ein einträgliches Geschäft betreiben können. Etwa 2500 bis 3000 Parkplätze stehen in den Plänen.
Nach „Hochrechnungen“, wie Knaus sagt, ein mehr als 100Millionen Euro teures Projekt. Die will die STG nicht selbst in die Hand nehmen: Investoren sollen bauen. „Das können wir nicht stemmen“, sagt Knaus. Für Planung und Genehmigungsverfahren habe seine Firma bereits mehrere Millionen Euro investiert. Doch um den Bau macht der STG-Geschäftsführer sich keine Sorgen.„Wir verhandeln mit heftig interessierten Investoren.“ „Schnellschüsse“ werde es allerdings nicht geben. Bevor der Zuschlag erteilt werde, könne es noch einige Zeit dauern. In der Tat werden einige Monateoder gar Jahre Wartezeit nicht mehr eine ganz entscheidende Rolle spielen: Diskutiert wird über das Projekt seit 1997. „Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren fast sechs Jahre liegen lassen“, sagt Knaus.
In dem Rechtsstreit hatte die Stadt Darmstadt mit dem Kreis Darmstadt-Dieburg um die Genehmigung des Objekts gerungen. Die Wissenschaftsstadt wehrt sich heftig gegen dessen Realisierung, weil sie fatale Auswirkungen auf den Einzelhandel in der eigenen Innenstadt befürchtet. Doch sie unterlag. Der Vorsitzende Richter im Verwaltungsgericht Darmstadt, Rainer Hepp, hat entschieden, dass der Bauvorentscheid, um den es in dem Verfahren ging und der nach dem geltenden Recht aus dem Jahr 1997 behandelt werden musste, rechtens ist. Hätte das heutige Recht gegolten, „wäre kein Bauvorentscheid erteilt worden“, sagt Erste Kreisbeigeordnete Celine Fries (SPD). „Zurzeit arbeite ich die Urteilsgründe schriftlich aus. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) entscheidet dann, ob er eine Berufung zulässt oder nicht“, erläutert Rainer Hepp.
Sollte er eine Berufung zulassen, kann die Stadt Darmstadt entscheiden, ob sie Revision beantragt. Sollte der VGH die Berufung ablehnen, „dann ist das die erste Weichenstellung und Darmstadt kann nur noch Beschwerde einlegen“, sagt Hepp. „Wir sind froh, dass das Gericht dem Kreisbauamt bescheinigt hat, dass es korrekt gearbeitet hat, denn es ging ja um die Frage, ob die Bauaufsicht korrekt war“, kommentiert Celine Fries das Urteil. Darüber hinaus aber sei sie „nicht uneingeschränkt“ für das Projekt und habe Verständnis für die Sorge der Einzelhändler, nicht nur in Darmstadt, sondern auch in Griesheim und Weiterstadt. „Wir können nicht gebrauchen, dass alles auf die Grüne Wiese zieht. Eine Innenstadt kann sich nicht mit eine paar Cafés halten.“ Wenig Sinn mache allerdings, eine politische Einschätzung über das Baurecht regeln zu wollen. „So ein Projekt lässt sich nur mit politischen Mitteln verhindern“, sagt sie. Bauchschmerzen habe er, wenn er an die zukünftige Verkehrslage denke, sagt Weiterstadts Bürgermeister Peter Rohrbach (Alternative Liste Weiterstadt). „Aber wir können das Einkaufszentrum nicht verhindern. Der STG gehört das Grundstück und jemand, der Baurecht hat, darf bauen.“ Er habe sich in anderen Orten umgeschaut, im Rhein-Neckar-Zentrum zum Beispiel und in der Stadtmitte Viernheims. „Es gibt noch belebte Innenstädte, da sind nicht nur Zombies“, sagt er. Der klassische Einzelhandel müsse sich auf die Situation ein- und das Angebot umstellen.
Was den zu erwartenden Verkehr anbelange, habe Weiterstadt das Problem, „wenn es zum Kollaps kommt“. Doch ein Gutachten habe ergeben, dass nach dem Ausbau des geplanten Autobahnkreuzes bei Weiterstadt der Verkehr fließen werde. „Die Staus wegen Segmüller entstanden auch nur in der Eröffnungsphase. Das hat sich inzwischen normalisiert“, sagt Rohrbach.
Dramatischer schätzt FelixWeidner, Vorsitzender des Vereins Innovative Verkehrssysteme Darmstadt (IVDA), die Situation ein. „Die gesamte Region, Weiterstadt, Griesheim, Pfungstadt und Darmstadt, werden nicht von dem Einkaufszentrum profitieren“, sagt er. Mit seinem Bau werde die Kaufkraft der Bürger nicht „schlagartig wachsen“, sondern aus den Innenstädten abgezogen. Der Autobahnanschluss werde zwar ausgebaut, „aber das reicht nicht“. Zu erwarten seien 10000 bis 12000 Autos am Tag, schätzt Weidner.
Allen Bedenken zum Trotz, geht die Planung für das Zentrum weiter. „Unser nächster Schritt ist, dass wir die Baugenehmigung beantragen“, sagt STG-Chef Armin Knaus. Einige Ergänzungen und Nachbesserungen habe seine Firma einfügen müssen und das auch getan. Über die Baugenehmigung entscheidet anschließend der Kreis Darmstadt-Dieburg.



Hintergrund:



Die Skepsis überwiegt

„Es wird die Gewerbetreibenden hart treffen“, sagt Peter Klink vom Gewerbeverein in Weiterstadt. Das geplante Einkaufszentrum in Weiterstadt sähen die ortsansässigen Einzelhändler „sehr skeptisch“. Einige Fachgeschäfte in der Innenstadt hätten ohnehin bereits schließen müssen, verblieben seien etwa 80 Geschäfte. „Wir müssen ein Gleichgewicht finden, die Innenstadt attraktiv gestalten, und die Einzelhändler müssen sich umstellen und auf Nischen spezialisieren“, sagt Klink.
„Das ist überall so: Ein gut angelegtes Konzept, Parkplätze, ein breites Angebot, das zieht die Leute an“, sagt Michael Jeder vom Gewerbeverein Darmstadt-Arheilgen. Denn davon, dass das Weiterstädter Einkaufszentrum auch Auswirkungen auf Arheilgen haben wird, ist er überzeugt. Der Gewerbeverein sei sehr aktiv und versuche mit Aktionen wie zum Beispiel Schnäppchentagen gegenzusteuern. Aber manche Entwicklungen könne er auch nicht verhindern. Zwei Kleidergeschäfte, eins davon ein Modehaus, hätten zu gemacht, „in einem ist jetzt eine Videothek“ .Wo früher Lederwaren verkauft wurden, büffeln jetzt Fahrschüler für den Führerschein, der Tengelmann-Einkaufsmarkt im Ortskern sei geschlossen. „Die Stadt hat das Grundstück gekauft und will Parkplätze anlegen. Geplant ist auch, dass dort wieder ein Vollversorger hinkommt“, hofft Michael Jeder. Auch er setzt auf das Finden von Nischen, um die Kunden im Ort zu halten. Gegen die sonstige Entwicklung „kann man nichts machen, man muss damit leben“, sagt er.
Die Situation aller im Auge behaltenwill der Einzelhandelsverband Hessen-Süd. Doch bezeichnet dessen Geschäftsführer Markus Kneflowski das geplante Zentrum in Weiterstadt als „bedrohlich für Darmstadt“. Vom „Oberzentrum Darmstadt“ sei die gesamte Region Starkenburg abhängig. „Wenn es Darmstadt schlecht geht, geht’s der Region auch schlecht“, sagt Kneflowski.
Das Konsumverhalten der Bürgerinnen und Bürger habe sich nicht so verändert, „dass die Einzelhändler Freudenschreie ausstoßen“. Nach wie vor sei der Einzelhandel ein Sorgenkind. Würden also in Weiterstadt 200 Fachgeschäfte eröffnet, habe das auf Darmstadt erhebliche Auswirkungen. „In Darmstadts Innenstadt gibt es rund 120000 Quadratmeter Verkaufsfläche, in Weiterstadt wären es dann 100000 Quadratmeter“, rechnet er vor.
Das letzte Wort sei allerdings noch nicht gesprochen, sagt Kneflowski. Denn in Verfahren, in denen großflächiger Einzelhandel zugelassen werden solle, würden Verbände wie der Einzelhandelsverband und die Industrie- und Handelskammer vom Regierungspräsidium um Stellungnahmen gebeten.

Zurück