Luftbelastung: Zum 36. Mal kritische Konzentration – Stillstand bis 31. Oktober? – Grüne machen Druck auf Hoffmann
Die Darmstädter Luft ist stärker mit gesundheitsschädlichem Feinstaub belastet, als es nach europäischem und deutschem Recht zulässig wäre. Das steht fest, seitdem die Feinstaub-Konzentration an der Messstelle Hügelstraße für Dienstag mit mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Tagesdurchschnitt berechnet wurde. Damit lag der Schnitt zum 36. Mal in diesem Jahr über dem Grenzwert; nur 35 Überschreitungen sind erlaubt.
Darmstadt liegt damit gemeinsam mit Frankfurt (Messstation in der Friedberger Landstraße) auf Platz zwei in Hessen; nur in Kassel wurden in diesem Jahr noch mehr Überschreitungen gezählt.
An die 36. Überschreitung ist die Verpflichtung geknüpft, einen Aktionsplan mit wirksamen Maßnahmen gegen die Feinstaub-Belastung vorzulegen. Laut Gesetz muss ein solcher Plan bereits dann aufgestellt werden, wenn die Überschreitung der Toleranzschwelle absehbar ist. Zuständig ist das Land Hessen, das in Absprache mit der Kommune handeln soll. Weitere direkte gesetzliche Folgen hat die 36. Überschreitung nicht.
Ein in monatelangen Verhandlungen erarbeiteter Aktionsplan für Darmstadt sollte am 5. Oktober präsentiert werden; die Verkündung wurde aber in letzter Minute gestoppt, da vier Nachbargemeinden aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg sowie Landrat Alfred Jakoubek gegen die darin vorgesehene Sperrung Darmstadts für durchfahrende Lastwagen Protest angemeldet hatten. Sie befürchteten, dass sich die Lkw-Fahrer neue Routen durch die Umlandgemeinden suchen würden. Darmstadts Oberbürgermeister Walter Hoffmann (SPD) sagte den Nachbarn daraufhin Gespräche zu. Das zuständige hessische Umweltministerium hat die Beteiligten zur Klärung für den 31. Oktober nach Wiesbaden eingeladen.
Dabei werde es wohl bleiben, sagte Hoffmann gestern: „Wir sind schon froh, dass wir so schnell einen Termin finden konnten.“ Er machte zugleich deutlich, dass er an der vorgesehenen Lkw-Sperrung keine Abstriche machen wolle. „Wir wollen wenigstens mit den Nachbarn darüber sprechen. Ob wir uns dann einig werden, ist eine andere Sache“, sagte der Oberbürgermeister. Im Darmstädter Magistrat gebe es zum Durchfahrtverbot „einen klaren Konsens: Daran ist nicht zu rütteln.“
Ähnlich sah es gestern auch Umweltdezernent Klaus Feuchtinger (Grüne), der sich allerdings für ein rascheres Vorgehen stark machte: „Innerhalb der nächsten zwei Wochen muss eine klare Entscheidung auf den Tisch.“ Er nahm Hoffmann indirekt in die Pflicht: „Ich erwarte, dass sich alle Beteiligten, die zu verantworten haben, dass der Aktionsplan noch nicht verkündet werden konnte, so eilig wie möglich an einen Tisch setzen.“
„Weitere Verzögerungen gehen auf Kosten der Gesundheit der Darmstädter Bürger“, erklärte auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament, Jochen Partsch. „Wir brauchen die Umsetzung des Aktionsplans sofort. Wie die Verkehrsbelastung auch der Landkreisgemeinden gemindert werden kann, muss parallel abgestimmt werden, aber Verkehrspolitik auf dem Rücken Darmstadts kann jedenfalls nicht die Lösung sein.“
In diesem Jahr werde der Tages-Grenzwert für Feinstaub in Darmstadt möglicherweise noch häufiger überschritten als 2004, sagte Feuchtinger am Mittwoch. Damals war an nicht weniger als 60 Tagen eine Belastung über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen worden. Der Stadtrat verwies auf die Baumaßnahmen in der Innenstadt: Haltestelle am Schloss und Bau des Kongresszentrums.
Die Feinstaub-Belastung hatte Anfang Oktober nach mehrmonatiger Pause gleich reihenweise den kritischen Wert überschritten. Das sei der „normale Jahresgang“, sagte dazu Karlheinz Liebl vom Landesamt für Umwelt und Geologie, das die Luftmessstationen betreibt: Im Sommer werde die bodennahe Luft erwärmt und steige nach oben, „da ist die vertikale Durchmischung gut“. Im Herbst und Winter sei die Sonne dagegen zu schwach; bei austauscharmer Wetterlage bleibe die Luft mit den Feinstaub-Partikeln am Boden – „die typische alte Smog-Wetterlage“. Zudem gebe es mehr Verkehr.