Zurück

02.11.2005

Quelle:Darmstädter Echo

„Schlag aus Darmstadt in unser Gesicht“

Weitere Waffe in dem Verkehrskrieg: eine Sammelklage

Der sich abzeichnende Aktionsplan gegen Feinstaub in Darmstadt, der dort zum Jahreswechsel mit Lkw-Nachtfahrverboten und Sperrungen für den Transitverkehr in Kraft treten soll, weckt im Kreis Darmstadt-Dieburg weiterhin große Befürchtungen.

Die Bürgermeister der angrenzenden Kommunen sind aufgebracht, weil sie eine Abwälzung von Verkehr erwarten. Landrat Alfred Jakoubek (SPD) bedauerte am Dienstag, es handele sich um einen „Plan mit Tücken“.

Einen Tag nach dem entscheidenden Abschlussgespräch mit Vertretern von Ministerien, Stadt und Landkreis (wir berichteten), zog vor allem der Mühltaler Bürgermeister Gernot Runtsch (SPD) vom Leder: „Das Treffen in Wiesbaden hätten wir uns schenken können“, sagte er dem ECHO.

„Ich dachte, wir können dort reden, über Lösungen nachdenken, uns einbringen. Statt dessen haben wir als Kreis nur gehört, dass die Darmstädter ihren Plan durchsetzen. Wir durften Bedenken vortragen und haben nur wenig mit nach Hause gebracht.“

Runtsch sieht für die Ortsdurchfahrt Nieder-Ramstadt schon jetzt einen „Verkehrsnotstand“. Der werde nun von den Darmstädtern verstärkt, „weil sie den Verkehr glasklar zu uns verlagern. Das ist ein Schlag in unser Gesicht. Unverantwortbar.“

Die Darmstadt-Dieburger Delegation aus vier Bürgermeistern und dem Landrat war und ist in einer schwachen Verhandlungsposition: Während Darmstadt die Fahrverbote dank der Feinstaub-Messungen mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz durchsetzt, fehlt im Kreis eine solche Handhabe.

Darmstadt-Dieburg muss nun auf den guten Willen des Verkehrsministeriums setzen, das eine „eingehende Prüfung der Straßenverkehrsordnung“ zugesagt hat, um auch für Roßdorf, Mühltal, Reinheim und den Ober-Ramstädter Stadtteil Wembach-Hahn Lkw-Fahrverbote zu ermöglichen.

Sollte die Prüfung ergeben, dass die Kreiskommunen keine Parallelsperrungen bekommen, wollen die Verlierer die Justiz bemühen. „Im äußersten Fall steht uns eine Sammelklage vor dem Verwaltungsgericht offen“, sagt Kreisssprecher Peter Tränklein.

Das Mühltaler Parlament hat unterdessen beschlossen, mit weiteren Waffen in den Verkehrskrieg zu ziehen. „Wir fordern nicht nur die Sperrung unserer Bundesstraße, sondern eigene Feinstaubmessungen“, sagt Bürgermeister Runtsch.

Sein Reinheimer Amtskollege Karl Hartmann (SPD) kann dies gut verstehen. Es könne nicht angehen, dass die Darmstädter den Lastwagenfahrern sagen: „Schleicht Euch durch den Kreis“. Auch Hartmann will nun eine Feinstaub-Messstelle in seiner Ortsdurchfahrt Spachbrücken. „Da fahren 22 000 Fahrzeuge pro Tag, darunter viele Lastwagen.“

Die Spachbrücker müssten sicherlich einigen Feinstaub schlucken, hätten aber das Pech, dass dies nicht dokumentiert werde. Die Darmstädter wiederum hätten das Glück, die Messstelle ausgerechnet am Tunnelausgang hinter dem Luisenzentrum zu haben, wo der Schmutz sich konzentriere.

Der Staatssekretär im Ministerium habe sich am Montag um ein entspanntes Gespräch bemüht, sagen die Kreispolitiker. Dass Oberbürgermeister Walter Hoffmann (SPD) vor einigen Wochen in anderem Zusammenhang das Kriegsbeil bei Weiterstadt begrub, scheint freilich längst vergessen.

Der Darmstädter Stadtrat Klaus Feuchtinger (Grüne) sei am Montagabend „im Alleingang“ vor die Presse getreten, um den Feinstaubplan zu verkünden. „Wir hatten zuvor geglaubt, wir würden die Öffentlichkeit gemeinsam informieren, wenn es soweit ist“, sagt Kreissprecher Tränklein.

Der Landrat bedauert, dass die „Konfliktminimierung“ zu spät kam. „Wir hätten uns rechtzeitig ein Gesamtkonzept gewünscht, das mögliche Verkehrsverlagerungen abfedert.“ Den jüngsten Feuchtinger-Tipp, der Kreis möge den Einbau von Rußfiltern in Lastwagen fördern, nimmt der Landrat zur Kenntnis. Die pauschal 100 Euro, die die Stadt Darmstadt zu den 7000 Euro Einbaukosten zuschieße, sei aber eher „ein Rußpartikelchen in der Feinstaubdiskussion.“

Der Kreis wartet nun gespannt auf die endgültige Bekanntgabe des Feinstaub-Plans, wahrscheinlich in der nächsten Woche. Ob Darmstadt ein striktes Nachtfahrverbot durchhalte, sei zu bezweifeln. Das könne für den Wirtschaftsstandort „fatal“ sein.

Kurz-URL:

Link teilen: Quelle twittern 

Zurück