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30.05.2005

Quelle:Frankfurter Rundschau

Regionales Zentrum mit Großstadtverkehr

Die Wissens- und Verwaltungsstadt Darmstadt zieht Pendler in Massen an / Autos sind das größte Problem

Jeden Tag erlebt Darmstadt zwei kleine Völkerwanderungen: 60 000 Pendler arbeiten in der Stadt, müssen rein und wieder raus. Einen Verkehrskollaps sieht niemand voraus, aber Verbesserungen wünschen sich viele.

"Wir sind da schon reichlich großstädtisch geworden." Günther Woost, Mitarbeiter des Darmstädter Regierungspräsidiums aus Erzhausen, ist nicht unzufrieden mit dem Nahverkehrsnetz. Um mit Tram oder Bus zum Hauptbahnhof zu kommen, "braucht man praktisch keinen Fahrplan im Kopf". Jenseits vom funktionierenden innerstädtischen Netz aber wird für Woost, der für den DGB im Fahrgastbeirat der regionalen Verkehrsgesellschaft Dadina sitzt, das "reichlich Großstädtische" auch zum Problem.

"Warum muss die S 3 eigentlich so oft verspätet sein?" Die Frage stellen sich neben Woost auch Hunderte anderer Pendler aus dem Norden, die die schon regelmäßigen Fehlzeiten im Fahrplan täglich aufs Neue nerven. Woost würde sich da den Ausbau eines zweiten Gleises "zwischen zwei immerhin schon großen Städten" wünschen, eine Verdichtung des Taktes unter der Woche wäre der Bedeutung von Frankfurt und Darmstadt seiner Meinung nach auch nicht abträglich. Das sei auch nicht unwichtig, denke man an Pendler, die beispielsweise nur durch Darmstadt durchreisen nach Wiesbaden. Für die mahnt Woost nebenbei auch eine bessere Vertaktung der Züge an.

Gute Noten für den ÖPNV

Ein Problem des Pendelverkehrs stellen aber die Autos dar, mit denen die meisten Auswärtigen immer noch anreisen. Gut zwei Drittel aller Autobewegungen in der Stadt entfallen auf Pendler, morgens wie abends kommt es oft zu kurzzeitigen Überlastungen des Straßennetzes. Eine Neu-Isenburgerin, die ihr Auto auf den Parkdecks unterm Staatsarchiv abstellt, ärgert sich, "dass ich jeden Tag von der Rheinstraße her um den ganzen City-Ring fahren muss". Da haben es Robert Arndt von der Stadtverwaltung und Merck-Mitarbeiter Jürgen Eckstein, beide aus Roßdorf, besser: Sie fahren jeden Tag stressfrei die 40 Minuten zur Arbeit per Rad. Das öffentliche Netz, so sie es benutzen, sehen sie beide als "ganz gut" an.

Es könnte aber noch besser sein. Das weiß auch Matthias Altenhein, Geschäftsführer der Dadina. Als Entlastung verbucht er Busrouten nach Groß-Umstadt und Groß-Zimmern. "Da merken wir schon, dass die gut angenommen werden." In Groß-Zimmern gebe es einen Park-and-Ride-Platz, aber, so Altenhein, "das ist eher wildes Parken in der Nähe der Bushaltestelle". Der Platz soll mal ausgebaut werden. Gleiches gilt auch für ein Areal in Dieburg.
Eine ausgesprochen für Auto-Pendler gedachte Erleichterung von Seiten der Dadina hat sich inzwischen verflüchtigt: Man habe mal den Ostbahnhof für Park-and-Ride nutzen wollen, erzählt Altenhein. "Aber das war nichts, denn wer es morgens bis dahin schafft, der ist schon durch die gröbsten Staus durch. Der steigt nicht nochmal um."

Große Neuerungen kündigen sich für Altenhein bei den Nahverkehrszügen an: Der wichtige Ausbau der Odenwald-Bahn (Siehe Seite 41) soll bis Dezember umgesetzt sein. Noch zwei weitere Jahre, und dann steht die Reaktivierung des Schienenstrangs nach Pfungstadt an. Auch der Ausbau der Main-Neckar-Bahn ist geplant, da ihre beiden Endpunkte die für Darmstadt nicht unbedeutenden Zentren Frankfurt und Mannheim sind. Während Nahverkehrsgesellschaften wie die Dadina an Optimierungen ihrer Routennetze basteln, läuft ein anderes Projekt, mit dem der Pendelverkehr reduziert werden soll, gut an. Zu Februar führte der Pharmakonzern Merck das Jobticket ein. Zurzeit nutzt zumindest ein Drittel der dazu berechtigten 6300 Mitarbeiter das Angebot. "Auf dem Werksparkplatz sind schon erste Lücken", sagt Betriebsrat Jens Freiling, der sich für das vorerst ein Jahr laufende Ticketangebot stark gemacht hat. Er schätzt einen Schwund von an die 500 Autos. In Kollegengesprächen sei deutlich geworden, so Freiling, dass das ÖPNV-Angebot als "überraschend positiv" gewertet werde. Wobei auch Ärgernisse nicht ignoriert würden: "Griesheimer stehen schon mal zehn Minuten am Luisenplatz, bis sie eine Verbindung haben."

Das Jobticket könnte demnächst ganz woanders noch Schule machen. Der designierte Oberbürgermeister Walter Hoffmann erklärte noch zu Wahlkampfzeiten via Internet, was denn die Politik alles in Zukunft leisten sollte. Unter der Rubrik "Ideenbuch" findet sich auf seiner Homepage sein Bekenntnis zum Jobticket für die Stadtverwaltung - dort arbeiten immerhin an die 5000 Menschen: "Ich stelle mir vor, ein Jobticket für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung so zu realisieren, wie es von der Firma Merck derzeit schon praktiziert wird." Bislang scheiterte das Verwaltungsticket an der Politik.

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