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02.08.2005

Quelle:Frankfurter Rundschau

Umfrage der Woche: Was halten Sie vom Ende der Blitzer ?

Die Stadt Darmstadt hat die Blitzanlagen an den Ampeln abeschaltet. Weil das Land nenzig Prozent der Bußgelder kassiert, waren die Kosten für die Stadt höher als die Einnahmen. Was halten die Bürger davon?

Fritz Müller (60), der mit seinem Auto auf dem Parkplatz hinterm Pali-Kino hält, hat"s schon länger gewusst. Von einem Bekannten bei der Polizei habe er gesteckt bekommen, dass die Überwachungsanlagen nicht mehr auslösen, wenn jemand bei roter Ampel über die Kreuzung fährt. Müller sieht in den Starenkästen eine reine Abzocke. "Da geht es nicht um die Verkehrssicherheit." Für Müller sind das rein politische Entscheidungen. Die Stadt brauche Geld, und weil sie an den Blitzern nichts verdient, stelle sie den Betrieb ein. In seinem Wohnort Riedstadt sei es genau anders herum. Ein Blick in den Haushalt dieser Gemeinde zeige, wie gut sie - allerdings an den stationären Geschwindigkeitsblitzern - verdiene und deshalb einen nach dem anderen aufstelle.

Jörg Voss, Mietwagenunternehmer, hält hingegen den Einsatz der Anlagen, die Rot-licht-Sünder blitzen, für sinnvoll. "Über den einen oder anderen Standort könnte man sich sicherlich streiten, aber im Großen und Ganzen sind die Kästen an den stark belasteten und wichtigen Knotenpunkten angebracht."
Verständnis für die Stadt

Frauke Bahl (28) ist mit ihrem sieben Wochen alten Töchterchen Lilly im Kinderwagen unterwegs. Einerseits findet sie die Blitzer gut: "Sie halten einfach vom Überfahren der Roten Ampel ab." Andererseits kann sie auch verstehen, dass die Stadt den für sie kostenintensiven Betrieb eingestellt hat. Ihrer Meinung nach müsste das Land jetzt neue Blitzer anschaffen. Selbst ist sie noch nie über eine rote Ampel gefahren, und "jetzt als Mutter fahre ich natürlich noch vorsichtiger". Um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, wünscht sie sich eine Wiederaufnahme des Blitzbetriebes, "aber nur wenn das Land zahlt".

Felix Weidner, Vorsitzender des Vereins für Innovative Verkehrssysteme Darmstadt, ist einer der wenigen Experten, die sich zur Zeit nicht im Urlaub befinden. Er findet es bedauerlich, dass es keine Überwachung mehr gibt. Besser wäre es auch gewesen, wenn es die Öffentlichkeit nicht erfahren hätte, dass die Blitzer außer Betrieb sind. "Denn die Kästen schrecken auch ohne Kamera ab." Weidner plädiert für eine schnelle Wiedereinführung der Rotlichtüberwachung. "Die Unfallzahlen sind durch die Kontrolle tatsächlich zurückgegangen."

Horstfried Böhmann (25) ist geteilter Meinung. Es gebe Gründe, die dafür sprechen, aber auch welche dagegen. Obwohl an der orangen Scheibe zu erkennen sei, ob die Kamera im Kasten montiert ist, sei die Abschreckung selbst dann da gewesen, wenn das Gerät nicht bestückt war. Schließlich wolle niemand das Risiko herausfordern. "Bevor es doch blitzt, hat man lieber gehalten." Die Verkehrssicherheit sei somit auf jeden Fall erhöht gewesen. Doch die neuen Kameras seien viel zu teuer, als dass die Stadt sie anschaffen könnte. "Das soll das Land bezahlen." Und wenn es das nicht tue, gehe ihm auch die Einnahme verloren.

"Aufklärung ist wichtiger"

Generell hält Horstfried Böhmann es indes nicht für sinnvoll, so viel Geld in die Überwachung von Verboten zu stecken. "Viel wichtiger ist Aufklärungsarbeit." Statt Geld für neue Blitzer auszugeben, könne auf anderen Gebieten viel mehr für die Verkehrssicherheit getan werden, meint der 25-Jährige. "Jeder fährt mal betrunken, und das ist viel gefährlicher, als schnell noch über die rote Ampel zu flitzen." Doch auch bei der Maut sei millionenschwere Technik auf den Autobahnen installiert worden, jetzt habe man mehr Lärm und Feinstaub auf den Landstraßen und noch weniger Geld in der Kasse.

Jürgen Barth (Grüne) ist die ganze Sache etwas peinlich. Durch seine Anfrage im Stadtparlament wurde erst öffentlich bekannt, dass, wer bei Rot noch schnell drüber fährt, dabei nicht mehr Gefahr läuft, abgelichtet zu werden. Mehrmals habe er beobachtet, dass Autofahrer, die bei Rot über eine Ampel fuhren, nicht geblitzt wurden, nennt Barth den Grund für seine Anfrage. "Eigentlich wollte ich von Stadtrat Dieter Wenzel hören, dass die Blitzanlagen wie normal in Betrieb sind." Im Zweifel hätte er sich "ehrenamtlich als neutraler, parlamentarischer Testfahrer anbieten wollen". Doch die Antwort von Stadtrat Wenzel, dass der Blitzbetrieb schon seit längerem eingestellt ist, habe ihn dann doch sehr überrascht.

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