Als Sascha Jokiel (31) vor acht Jahren von Elmshorn nach Heidelberg zog und von dort aus den Odenwald kennen lernte, hat er sich gewundert über die vielen Eisenbahnschienen, auf denen Bäume und Sträucher wachsen. Über das Interesse an der Geschichte der still gelegten Gleise fand er Kontakt zur Interessengemeinschaft „Pro Schiene Weschnitztal/Überwald“.
Leute wie Andreas Müller, Gerhard Molzahn oder Sven Graner haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass irgendwann wieder Züge auf der Überwaldbahn fahren. Die zehn Kilometer lange Strecke, die Wald-Michelbach mit Mörlenbach verbindet, wurde Anfang der achtziger Jahre still gelegt.
Jokiel hat ein Konzept entwickelt, das er „S 6“ nennt und das vorsieht, beim Ausbau der S-Bahn-Rhein-Neckar in Richtung Norden nicht nur die Bergstraße anzubinden, sondern auch den Raum Wald-Michelbach. In Kreisen von Eisenbahnfreunden ist Jokiel bundesweit bekannt. Dokumentationen über das Hamburger U-Bahn-System sind im Internet zu finden.
Mittlerweile wohnt der Computerspezialist und Eisenbahnfan im Wald-Michelbacher Ortsteil Aschbach und fährt von dort aus täglich mit dem Auto zur Arbeit nach Mannheim. Viel lieber würde er sich in ein öffentliches Verkehrsmittel setzen. Doch das ist niemandem zuzumuten.
Die Busverbindungen nennt er „katastrophal“. Vor 50 Jahren hätte er von Aschbach aus mit einem der legendären „Holzmann-Züge“ über Weinheim ohne umzusteigen bis nach Mannheim fahren zu können.
Wie tausende von Pendlern, die aus dem Odenwald in den Rhein-Neckar-Raum fahren, steht Jokiel täglich im Stau. „Ich sehe, was jeden Morgen an Autos Richtung Weinheim fährt und kenne die Verkehrsströme auf der Bundesstraße 38. Das ist ein riesiges Potenzial für den öffentlichen Personennahverkehr. Doch es gibt kein Angebot“. Pendler aus dem Überwald dazu zu bewegen, in Mörlenbach in die Weschnitztalbahn umzusteigen, würde nach Ansicht von Jokiel nur dann sinnvoll sein, wenn die Züge über Weinheim hinaus bis nach Mannheim fahren.
„Die Erweiterung der S-Bahn ist sowieso geplant – wenn dann richtig“, so fordert es Sascha Jokiel für die Interessengemeinschaft Pro Schiene Weschnitztal/Überald in seinem Konzept „S 6“.
Mannheim und Ludwigshafen sind die beiden wichtigsten Städte des Wirtschaftsraumes Rhein-Neckar. Entsprechend viele Pendler kommen jeden Morgen in diese Städte und fahren abends zurück.
Zwar gibt es die Weschnitztalbahn, die zwischen Fürth nach Weinheim verkehrt, diese bietet nach Ansicht von „Pro Schiene“ jedoch keine vernünftigen Anschlüsse. Direkte Verbindungen nach Mannheim und Ludwigshafen fehlen.
Die Probleme sind lösbar, schreibt Jokiel. „Die Lösung fährt seit 14. Dezember 2003 und hat eine echte Verbesserung gebracht. Es ist die neue S-Bahn Rhein-Neckar“. Die S-Bahn fährt sogar in Gegenden, die wenig frequentiert sind.
So gibt es im Osten des Netzes den Streckenabschnitt Mosbach-Osterburken (S 1). Trotz der wenigen Fahrgäste bietet die Bahn-Tochtergesellschaft DB-Regio zusammen mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) dort ein modernes Verkehrsmittel an. Dieses Vorbild lasse sich auf den Kreis Bergstraße anwenden, der zum VRN gehört. Die Pendler würden als unmittelbar Betroffene davon profitieren, alle Bürger in den Gemeinden würden durch weniger Straßenverkehr mehr Lebensqualität erhalten. Die S-Bahn Rhein-Neckar soll die Bergstraße auf der Relation Weinheim, Heppenheim, Bensheim bis Darmstadt erschließen.
„Eine sinnvolle Ergänzung des Netzes“, wie die Leute von „Pro schiene meinen. Jedoch würden nach der derzeitigen Planung die Pendler aus dem Odenwald wieder leer ausgehen. Falls die S-Bahn nach Darmstadt als S 5 fährt, sei eine S 6 auf den Trassen der Weschnitztalbahn und Überwaldbahn vorstellbar.
Folgendes Szenario hat Jekiel formuliert: Die S 6 würde von Ludwigshafen über Mannheim Hauptbahnhof, Mannheim-Seckenheim nach Mannheim-Friedrichsfeld verkehren. Dort geht es weiter über Ladenburg und Lützelsachsen nach Weinheim. In Weinheim besteht Anschluss an die S 5 nach Bensheim (bis Darmstadt).
Nun wechselt die S 6 auf die Weschnitztalbahn und fährt über Birkenau nach Mörlenbach. Mörlenbach ist der Punkt, wo die S 6 „geflügelt“ wird. Das heißt, der vordere Zugteil fährt über Rimbach nach Fürth, der hintere über Kreidach nach Wald-Michelbach. Umgekehrt vereinen sich die Einzelzüge in Mörlenbach wieder, um als Zugverband Richtung Mannheim zu fahren.
Die S 6 ist nicht nur die Verbindung für die Pendler, sondern auch für die Schüler, die ins Schulzentrum Wald-Michelbach müssen. Am Wochenende ist die S 6 die Linie für Fahrten ins Grüne. Der Odenwald als Teil des Unesco-Geoparks lädt zum Wandern und Verweilen in Gaststätten ein. Wald-Michelbach bietet zudem ein großes Freizeitangebot.
Sowie die S-Bahn schon jetzt die Pfalz als Erholungsgebiet anbindet, so könne auch der Odenwald erschlossen werden. Die S 1 ist schon heute an manchen Sonntagen überfüllt.
Die Überwaldbahn mit Viadukten und Tunnels galt als eine der schönste Nebenstrecken Deutschlands. Die S 6 könnte als S-Bahn mit der schönsten Aussicht in Reiseführern erwähnt werden. Die S 6 sollte nach Ansicht Jekiels nur durch Park-and-Ride-Plätze mit dem Auto und mit Buslinien verknüpft werden.
Von einem modernen Nahverkehrskonzept, das Ballungsräume mit dem Umland verknüpft, profitieren Dörfer und Großstädte. Meist wird vergessen, dass die S-Bahn Rhein-Neckar dazu beiträgt, die Menschen Mannheim und Ludwigshafen vom Autoverkehr zu entlasten.